Die Stray Cat Bar oder eine verknorzte Stadt Zürich Mitte der Achtzigerjahre, die kleine anarchische Nischen duldete

Ich könnte damit anfangen Namen aufzuzählen, Namen von Künstlern, von Banditen, von Bands, welche die Stadt Zürich in einer Zeit des Umbruchs beschäftigten, provozierten und mich als Jugendlichen beeindruckt haben, diese ungezählten verwilderten Kerle, die damals in der Stray Cat Bar verkehrt sind.

Im Kreis 4, war diese Bar in den Achtziger bis Mitte Neunzigerjahre ganz klar Kult, in der damals noch recht verknorzten Stadt Zürich, die aber kleine anarchische Nischen duldete; die Stray Cat Bar, war eine davon, seit Samstag dem 18. Juli, ist die Bude jetzt zu, endgültig.

Meine Geschichte fing dort in den Achtzigerjahren an. Mich, oder besser gesagt, die Jungs mit denen ich unterwegs war, wir drifteten von der Ecke hinten links, dem „Piccolo Giardino“ nach vorne in die „Stray Cat Bar“ ab. Ich weiss nicht mehr weshalb. Vielleicht war der Chef im „Giardino“ ein Stinktier oder die Jukebox war Scheisse oder beides. Vielleicht flüchteten wir auch von einem dieser aufdringlichen Zürcher-Mädels, die zog es nämlich nicht unbedingt in die Stray Cat Bar, „d‘ Chatz“ war ganz klar die Ecke für streunende Kater, ein Rockerschuppen.

Es gab da auch den Tisch, da musste sich schon gar keiner von uns blassen Bubis hinsetzen, weil der war ausschliesslich für diese Rocker. Sonst durfte man sich in der Bar frei bewegen, als Anfänger hielt man sich aber besser in der Nähe vom Ausgang auf, schon wegen der Frischluft.

Damals wurde noch geraucht und das Stray war eines der drei Lokale wo geraucht wurde im Aussersihl, das hatten wir diesen Rockern zu danken, meinten wir. Das war natürlich superkool damals, dass man in eine Bar hocken, ein Bier bestellen und auf der Tischplatte ne Tüte drehen, anzünden und paffen konnte, als ob es nichts normaleres gäbe in der Welt. Mit jeder angezündeten Tüte war man wieder einen grossen Schritt weiter weg von diesem langweiligen bürgerlichen Kram und ein Stück näher bei der Freiheit; an so einen Quatsch glaubten wir damals.
Der Schuppen war voll von solchen Gestalten denen wichtig war, dass man ihnen schon von weitem ansah, dass sie nicht bürgerlich sind sondern frei wären. Die strömten von der ganzen Schweiz in den Laden rein, weil das der weltbeste Ort war um high zu sein, egal was davor war oder danach kam.

Da waren Künstler aller Art, Kleinkriminelle und solche die es gerne werden wollten, Schwätzer, Lederjackenträger, Spinner usw. Da waren ich und meine Kumpels echt begeistert davon, denn schliesslich waren wir Kinder der „No-Future“ Generation und was wir in dem Schuppen antrafen, hatte ganz klar keine Zukunft und wir fühlten uns sofort Sauwohl da.

Die beiden grossen Glasfronten, die eine gegen die Langstrasse und die andere gegen den Platz raus waren zugeschreinert, so war das Lokal so ein sich gegen hinten düster werdendes Loch, wo’s nie keine Tageszeit gab und die haben wir auch nicht mehr gebraucht, wenn wir da mal dringehockt sind. In dieser dunklen Ecke stand auch diese alte Jukebox und die hat einen so richtig schön zugedröhnt, da sind noch diese Singles auf den Teller runtergeklappert von He Joe bis Whole Lotta Love…. Meine Lieblingssingle war aber die mit dem Song „Blue Velvet“ (Soundtrack vom gleichnamigen David Lynch Streifen u.a. mit dem putzigen Dennis Hopper und seiner Sauerstoffmaske), wenn ich diesen Song drückte, da hat mir dann der Barmann Andy Suppiger anerkennend mit seinem Kasperlgesicht zugezwinkert, um doch mal einen Namen zu nennen. Friede seiner Asche, übrigens.

Doch die Zeiten änderten und ändern sich, jedenfalls Mitte der Neunziger fing es dann immer defter zu schneien an in Zürich und es gab auch etwas Lärm wegen ein paar Hanfläden, wegen illegalen Bars und so, also das mit den Tüten rauchen in den offiziellen Lokalen war dann vorbei, seither darf man in Zürich sowieso nur noch das tun was nicht stört…
Das hatte zur Folge, dass die Rocker abzogen, die Künstler auch, die Freigeister wanderten in die Klapse, die Spiritisten nach Goa, die kleinen Schwindler in den Knast, die grossen Schwindler in die Stadtregierung und die, die überhaupt nicht wussten wo sie hinwollten, legten sich nach einem Abstecher via Platzspitz respektive Letten in die Grube.

…und Tschüss.

Diesen Samstag (damals im Juli 2015) machen die den Laden jetzt endgültig dicht, so heisst es jedenfalls offiziell. Das Haus wird total renoviert und es ist bis dato noch nicht klar, ob dann dort wieder ne Bar reingebaut wird oder was. Nichts bleibt wie es ist und überhaupt bleibt dort rundherum in den nächsten Jahren kaum kein Stein auf dem anderen, auch die Olé Olé Bar sei bald mal dran…

Uns streunenden Katern und Katzen bleiben die Erinnerungen, doch auch für uns und unser kleines, in uns wandelndes Erinnerungsbüchlein kommt der Tag, wo kein Stein auf dem anderen bleibt. Vielleicht ist es dieser immer einmal wiederkehrende Augenblick des Erschreckens, der Urgrund zu unserem unsteten Suchen und Streunen.

Pierroz

4 Kommentare

  • Hätte das Milieu weniger untereinander Differenzen gehabt und sich mehr für den Kreis4 eingesetzt würde es wahrscheinlich heute anders aussehen.Es hat sich nichts geändert Ausländer Gruppierungen werden toleriert und eigene Kreise unter Druck gesetzt.
    Passend zur Schweizer Mentalität!

  • Durchaus stimmig verfasst von Pierroz, oder? Ich lese sentimentales Bedauern und auch etwas nüchterne Erleichterung, dass er da nicht mehr hin muss.

    Chronologisch ist es ja so, dass das Wäckerli-Zürich, das ich noch kenne, diese anarchische Erschütterung natürlich provozierte. Und dann kippte die Revolution, wie jede Revolution, ins Hässliche. Die Langstrasse ist ja kein Zivilisationsmodell, bitte sehr.

    Und da Gott sowieso tot und die Future auch tot war, blieb noch der Ausweg in Unterhaltung, Gaudi rund um die Uhr, Narzissmus, natürlich alles mit korrekter Gesinnung und viel Service Public. Wie bei Huxley und Jeremy Bentham. Und am Schluss ist man wieder allein.

    Halt, nein, nicht ganz: Es gibt noch die Kunst. Und die ist nie ganz rational erfassbar (darum ist Konzeptkunst auch keine Kunst). Und deshalb ist das Absolute, das eigentlich tot sein sollte, doch da, im Jazz, bei Wagner, bei Amy W. Und deshalb müssen wir uns nicht so erschrecken lassen von den Kaputtmachern, seien es die Baulöwen oder die Sprache-Zertrümmerer, Dekonstruktivisten und hyperintelligenten Skeptiker. Es gibt immer rettende Lücken für Aussenseiter, die nicht nur (wie zB. Max Frisch) ihren überheblichen Zorn auf Alles pflegen wollen.

  • Solange es noch Verrückte wie uns gibt, bleibt die Welt normal

  • Ja,alles wird verdrängt durch diese Hipster!
    Viel verdienen+(sie meinen sie seien cool,dabei Lachhaft!) Stray-Cat ist zu!Neugasshof zu!Hafenkneipe zu!Tessiner Keller+der letzte Kifferschuppen Schönau ist zu!Okay ich Kiffe seit 30Jahren nicht mehr,aber diese Läden waren Kult.Seit die Angels nicht mehr an der Langstrasse sind,ists nicht mehr das gleiche!auch der Anker war mal so 1 urchiger Laden,als Bobo noch drauf war in den 90iger Jahre!(R.I.P. Bobo)ehem. V-Pres. dann später bis ca.2005 President Hells Angels Zürich

Lass den Knüppel im Sack und teile Deine Denke mit uns...

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.