Archiv ‘Bücher’ Kategorie

…Und überhaupt die Musik – was für eine entsetzliche Sache!

Köstlich wie in dieser Geschichte einer Ehe (von L.N. Tolstoi), der gehörnte Gatte faucht, beisst und kratzt, wie er den Mord an seiner ungetreuen Patnerin als logische Tat verteidigt, Schuldige sucht und findet.
Schuld an seinem Unglück sind u.a. ein Musiker als Verführer und die Musik an sich als eine teuflische Sache, genauer des Ludwig van Beethovens Keutzersonate.

Gut haben’s wir Liebenden heute, wo der Beweis einer Zuneigung sich nicht mehr in einem gesetzlich verbrieften Alleinanspruch auf den Leib der Lebenspartner/innen manifestiert.

Überhaupt sind Begriffe wie Sitte, Ehre, Demut und Treue in unseren postmodernen Gesellschaftstrukturen schon lange im Landesmuseum hinter Glas und Staub entsorgt, wo mässig interessierte Schüler sie beim Klassenausflug bestaunen mögen. Oder?

Leo N. Tolstoi „Die Kreutzersonate“ / zwei Schnipsel aus dem 23.Kapitel lesenswert? …ja sehr!

Liebe Leser, alleweil fällt uns diese Woche noch etwas ein / oder: Die neuen Leiden sind die alten…

Da schreibt einer (Ulrich Plenzdorf) in den 70zgern, im damalig Deutschen Osten ein Buch, wo er direkt Bezug nimmt zu Goethes „Werther“ und Salingers „Fänger im Roggen“, dessen jungenhafte schnoddrige Sprache er noch toppt.

Unglaublich, ein absolut köstlicher Lesespass, wirkt befreiend und erfrischend für überspannte, gereizte Gehirnwindungen…nun wen sprich ich jetzt mit dieser knappen Befindlichkeitsanalyse eigentlich an? …uns alle!

Die aus dem Jenseits (weil das Ganze ja in einem Desaster endet) erzählende Hauptfigur, der Edgar, schmiert da am Rande einer bürgerlichen Gesellschaft entlang und fällt dann nicht nur wegen einer unmöglichen Verliebtheit ins Abseits, sondern? …lies weiter…

Es war einmal… das natürliche, männliche Wesen

Ohne weiteren Kommentar übertrage ich hier eine Photographie und ein paar Zeilen aus dem Buch:
„Thron der Götter“ Erlebnisse der ersten Schweizerischen Himalaya-Expedition von Arnold Heim und August Gansser (Morgarten-Verlag 1936)

Der Aelteste von Tinkar mit seinem Enkelbueblein am Spinnen Arnold Heim Kopie

Müde stolpere ich durch den niedrigen Eingang eines schwarzen Tibeter-Zeltes. Eine ganze Familie liegt splitternackt unter schweren Schaffellen:

Mann und Frau, den brüllenden Säugling und zwei grössere Kinder zwischen sich. Daneben liege ich, höre wie die Hunde bellen und der Säugling schreit.

Der Vater nimmt seinen jüngsten Sprössling zu sich, leckt das kleine Ding von oben bis unten zärtlich ab, und das Geschrei verstummt.

An der Buddha-Figur erlischt der zitternde Widerschein des stinkenden Butterlämpchens.     (August Gansser)

 

Radio SRF3 „Focus“ mit Sibylle Berg

Schon mit den ersten Worten des Moderators (Hannes Hug) habe ich’s geahnt: Das wird ein Scheiss.
Da war in dieser Stimme sowas von „Alles ist so nett und das Leben ist immer lustig“. Die Berg hat sich, nach anfänglich humorigem Stocken („das fängt ja gut an“), in das leere Gelaber (üb)ergeben müssen.
Focusiert wurde in dieser Stunde rein gar nichts, da war nur dieser süssliche Brei, von diesem „Glückspost“-Moderator, der sich zur Hauptsache in seiner eigenen biederen Witzigkeit gefällt und den Anspruch erfüllt, dass er eine Stunde ohne Inhalte durchbringen kann und’s keiner merkt.

Was ich jetzt am Schluss von dieser Sendung weiss: Seitensprung ist nix, offene Beziehung is nix, als Schriftsteller/in muss man arbeiten, Boxerhunde sind auch nix, das Leben soll man sich am besten verkneiffen (am Schluss: „alle tot“), den Mc Kutti sollte man schnell wieder ausblenden und wenn man 60% vom Leben begriffen hat, zufrieden sein kann.
Ich weiss jetzt, dass die Berg für die nächsten fünfzig Jahre neunundzwanzig Jahre alt sein wird und soooooooo langsam ist, sich von Grüntee ernährt, aber nicht mehr im Bett schreibt, dass die Berg Softwareentwickler und Schachspieler beeindruckend intelligent findet, ….und wäre sie nicht zu doof, dann wäre Sie heute Quantenphysikerin.
….fehlt da noch was in dem Salat? nein? ….ich finde auch nicht, da ist alles drin…..

ps: Kein Wunder hockt die Berg am liebsten alleine in ihren eigenen vier Wänden, und schreibt sich da eine Welt weg, die, in dieser explosionartig sich ausbreitenden Dümmlichkeit kaum mehr zu ertragen ist.

Die aktuelle Schreibe von der Berg: „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“
Die Berg sagt dazu: „brilliant geschrieben, sehr lustig, und sie habe das geschrieben, weil sie das verkaufen muss.“

Mein Lesetipp von der Berg: „Ende gut“

Pierroz

Recycling-Sammelstelle

Einmal mehr kann ich nur betonen, dass die Recycling-Sammelstelle, hier in diesem Kaff wo ich wohnhaftiert bin, das Beste ist, was es hier gibt. Das ist der Ort wo der Normalverbraucher seinen Abfall hinbringt, das ist der Ort wo ich aus diesem Abfall schönstglänzende Perlen herausfische.

So geschehen wieder gestern, wo ich eine ehrwürdige Ausgabe von Herman Hesse’s „Siddharta“ fand. In Buchform kam diese „indische Dichtung“ erstmals 1922 bei S. Fischer heraus, meine Perle ist die erste Einzelausgabe vom Suhrkamp Verlag von 1950, gedruckt in dieser altehrwürdigen Frakturschrift, mit einem Waschzettel von Hugo Ball im Schutzumschlag, den ich hier ohne freundliche Genehmigung ins Web schicke.
siddhartaklein
Hugo Ball (1886-1927) ist jener, der als Dadaist startete und als Emigrant in der Nähe von Hesse im Tessin eine neue Heimat fand, sich dort strengläubigen Kreisen anschloss und alte Mystiker studierte…(das sowas von sowas kommt?) „Flametti oder vom Dandysmus der Armen.“ ist ein Lesevergnügen erster Güte; eines der raren Prosawerke von eben diesem Hugo Ball. jetzt folgt der klappentext….