Tom Combo im Interview: »Inneres Lind und »Thaw«

Fast zeitgleich mit seinem Roman »Inneres Lind« veröffentlicht Schriftsteller und Musiker Tom Combo einen Tonträger mit 12 Songs namens »Thaw«. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, und noch einiges mehr, wollten wir von Tom Combo wissen 

Vitaltransformer: Beim Musikalbum »Thaw« gäbe es einige Überschneidungen schriebst Du uns. Nenne ein paar Beispiele.

Tom Combo: Die beiden Songs Seasons und Unspoken zum Beispiel, sie handeln von der Vergangenheit, die die Gegenwart im Griff hat, oder vom Umgang mit Traumafolgestörungen, wenn man es ganz nüchtern ausdrücken wollte. Thaw heisst ja Tau, oder tauen. Wenn einem die Finger fast abgefroren sind und man wärmt sie auf, dann ist da dieser Schmerz. Von diesem Schmerz ist im Buch und auf dem Album etwas zu finden. Allgemein geht es um Dinge, die man nicht im Griff hat, um Freundschaften, die Liebe, das Leben.

VT: Welcher Song steht für die Lust des Mountainbikens, in deinem Roman ein immer wiederkehrendes Motiv, und zu welchen Spielweisen greifst Du, um mit dem Cello dieses Gefühl auszudrücken?

Tom Combo: Beim Mountainbiken suchen die Figuren in dem Buch paradoxerweise die Ruhe, den Denkstop, der sich aufgrund des Adrenalinschubs, des Übermasses an Eindrücken und der Fokussierung auf das Fahren einstellt.

Musik kann auf eine andere Art zu einem Denkstop führen. »Stones« hat für mich beim Spielen eine solche Wirkung, das Stück ist abgesehen vom psychedelischen Zwischenteil sehr repetitiv. Es handelt auch von dem Wunsch, dass einem zumindest für eine kurze Zeit mal alles egal ist.

Eine andere Übereinstimmung finde ich aber fast auffälligerer: Eine Figur im Buch nimmt bei seinen Bike-Touren seltsame Geräusche im Wald auf und stellt daraus Loops her. Ich habe ungewohnte Geräusche auf dem Cello gefunden und sie ebenfalls für das Album geloopt.

Lustig, das Telefon auf dem ich das schreibe, macht aus ‚geloopt‘ ‚gelobpreist‘. Alle Religionen arbeiten ja mit dem Repetitiven, ein Mantra oder einen Rosenkranz, beides sind Loops. Und hier sind wir auch wieder beim Denkstop, der offenbar ein verbreitetes menschliches Bedürfnis ist.

VT: Von wegen Mountainbiken, Adrenalinschub und Denkstop: Fuhrst Du früher einmal und wenn ja, fährst Du auch heute noch bewaldete Hänge hinab, Sprünge und so?

»Thaw« Album-Cover

Tom Combo: Thaw wird mal als Mountainbike-Album in die Geschichte eingehen, obwohl darauf kein einziges Fahrrad vorkommt. Cool. Ich bin als Kind extrem gern durchs Kraut gefahren. Damals gab es noch keine Mountainbikes und der Sport hiess ,Querfeldein‘. Ich hab ein paar Fahrräder kaputtgemacht damals. Als die Mountainbikes aufkamen, hatte ich kein Geld dafür und als Vater von 2 Kindern andere Prioritäten gesetzt. Später kaufte ich mir Occasionen, ich hatte auch mal ein Fully, was mir aber geklaut wurde. Ich hatte keine Versicherung und konnte mir kein neues kaufen.

Wenn ich die Gelegenheit habe, leihe ich mir eins aus. Ich bin beim Biken nur als Kind grössere Risiken eingegangen, grosse Sprünge machte ich eher beim Wintersport und holte mir dabei auch die entsprechenden Verletzungen.

VT: Uns fiel eher auf, dass Dein Roman »Inneres Lind« in Buchbesprechungen als Mountainbike-Lektüre behandelt wird. War es denn Deine Absicht eine solche zu kreieren?

Tom Combo: Nein. Ich wollte darin die Geschichte einer Gruppe erzählen, die wegen verschiedenen aktuellen und vergangenen Geschehnissen auseinanderfällt. Die Gruppe gehörte früher zu einer Art Biker-Subkultur, die in den Wäldern Bike Parties gefeiert hat. Ich bin darauf gekommen, weil ich beim Biken selbst mal an einen versteckten Ort gekommen bin, wo es Spuren einer solchen Party hatte, also Kicker, Eisteekartons, Bierbüchsen und irgendwie viele Aluminium-Papierchen. Richtige Mountainbike-Fahrten sind selten im Buch, dafür bewegen sich die Figuren in psychischer Hinsicht auf schwierigem Terrain.

VT: Auch Romane schreiben und Solo-Alben einspielen, würde ich als ein psychisch schwieriges Terrain bezeichnen. Beides sind Arbeiten, die Du alleine, in selbstgewählter Einsamkeit zu machen hast. Gehst Du den Menschen lieber aus dem Weg?

Tom Combo: Ich bin gern unter Menschen, brauche aber meine Rückzugsgebiete.

VT: Bist du über die Lyrik für Deine Musik zum Schreiben längerer Texte gekommen, oder wars gerade umgekehrt?

Musiker Tom Combo,  Fotografie: Armin Büttner, Zürich

Tom Combo: Es ist beides parallel entstanden. Ich bin erst als Singer-Songwriter aufgetreten, mit textlastiger Musik also. Gleichzeitig habe ich Prosa geschrieben. Als um die Jahrtausendwende diese Slam Sache aufkam, hab ich gemerkt, dass meine Texte auch ohne Musik funktionierten. Um diese Zeit herum kam Jörg Sundermeier, der Verleger des damals noch jungen Verbrecher Verlags, zu einem Auftritt und sagte darauf, er wolle mit mir ein Buch machen. Haha, das klingt jetzt wieder… Ich veröffentlichte darauf den Erzählband „Vielleicht nur Teilzeit“ und den Roman „Spielraum“. Gleichzeitig machte ich auch Soundtracks, also rein musikalische Arbeiten. Also wie schon gesagt, es lief alles parallel. Das ist sehr abwechslungsreich, aber wahrscheinlich nicht gerade ein Erfolgrezept, weil man als Name nicht so leicht eingeordnet werden kann.

VT: Ist dies der Grund weshalb alle Songs auf »Thaw« in englisch sind, damit man dieses Schaffen von Deinem literarischen in deutscher Sprache besser voneinander unterscheiden, also leichter einordnen kann?

Tom Combo: Ich würde es anders ausdrücken: Einer der Gründe für das Englische ist: In einer andern Sprache fallen einem andere Texte ein. Und gerade durch die Entfernung kommt man auf Dinge, auf die man als nativer Sprecher vielleicht nicht kommen würde. Ein anderer ist, dass ich damit die Texte eine wenig in den Hintergrund rücken wollte. Sie bedeuten mir zwar viel, aber bei deutschen Liedern hören viele Leute zuerst auf den Text. Ich wollte, dass sich die Aufmerksamkeit erstmal auf die Songs als Ganzes richtet. Ich habe die Platte nur mit Stimme und Cello aufgenommen. Auch Beats und Spezialsounds sind ohne andere Instrumente oder Effekte entstanden. Diese Machart führte zu einer speziellen Atmosphäre, die ich in den Vordergrund stellen wollte.

VT: In welchem Medium fällt es Dir leichter Dich mitzuteilen und mit welchem stösst Du beim Publikum auf ein besseres Verständnis, mit Deinem literarischen Schaffen oder Deiner Musik und was für Synergien entstehen wenn Du beides zusammenführst, so wie Du es bei Deinen aktuellen Auftritten machst?

Tom Combo, Dominik Dusek und Schauspielerin Julia Schmidt

Tom Combo: Was die Lesungen betrifft, ist es folgendermassen: Ich habe relativ früh gelernt, dass es mir leicht fällt, auf der Bühne zu reden. Aber ich muss immer mal wieder etwas tun, sonst werde ich nervös. Musik ist da super, vor allem, wenn man mit jemandem wie Dominik Dusek zusammenarbeitet. Für viele Leute ist es ausserdem schwierig, sich während einer langen Zeit auf Texte zu konzentrieren. Sie sind damit beschäftigt, zuzuhören und zu verstehen. Die Musik gibt ihnen die Gelegenheit, gefühlsmässig in eine Welt zu finden, die ich vermitteln will, oder einfach abzuschweifen und irgendetwas zu fühlen oder zu denken.

Konzerte sind persönlicher als Lesungen, schon alleine weil man singt und nicht spricht. Das braucht etwas mehr Mut, ist aber auch das intensivere Erlebnis. Ich glaube, kaum etwas ist schöner als ein Konzert, das richtig gut war.

VT: Was sollten Menschen unbedingt lesen und sich anhören, die Tom Combo’s Bücher und seine Musik mögen? Gib uns bitte ein paar Lese -und Höhrtipps aktueller Publikationen Deiner Kolleg*innen.

Dominik Dusek, mit dem ich zusammenarbeite, hat eben die Streitschrift „Orgel und Ordnung“ im Verlag Unzufriedenheit Press veröffentlicht. Ausserdem schrieb er das Buch „Er tritt über die Ufer“ (Lector Books) Beides empfehle ich sehr, und, weil ich mich auf ein paar Leute begrenzen möchte, die ich wirklich kenne:

Bilder und Musik von allen, auch ehemaligen Milk + Wodka Mitgliedern, zum Beispiel die Platte „7 Exitos Romanticos“ von Larry BangBang, auf der ich auch Cello spiele. Bandmitglieder sind dort auch Frank Heer (viel gute Musik auf Bandcamp und neues Buch bald!) und Jürg Plüss (Schauspieler, u.a. in meinem Musik Video „Unspoken“, beim „Splätterlitheater“ und in der Serie „Seitentriebe“).

Zu den schönsten Dinge der letzten Zeit zählen. Andri Beyelers „Mondscheiner“, Dominic Oppligers „acht stumpfo Züri empfernt“, Stephan Pörtners „Pöschwies“, Jürg Halters „Aufwachen im 21. Jahrhundert“ und Gion Caveltys „Der Tag, an dem es 449 Franz Klammers regnete“. Weiter empfehle ich Gerd Dembowski, alles von Manuel Stahlberger, die Arbeiten von Göldin&Bit-Tuner und die allermeisten Bücher aus dem zwar renommierten aber hierzulande immer noch zuwenig bekannten Verbrecherverleg, in welchem auch meine Bücher erscheinen: Lisa Kränzler, Anke Stelling, Markus Liske, Milo Rau, Manja Präkels, die Liste der wichtigen Autor*Innen in diesem Verlag ist schier unendlich und reicht bis zu Pop-Ikonen, wie der Sängerin der Lassie Singers, Almut Klotz, deren posthum erschienenes Buch „Fenderfotzenschweine“ sehr zu empfehlen ist!

Wer sich für Pioniere des Cellos in der Popgeschichte interessiert, hier ein paar Leute, die mich beeinflusst haben: Rushad Ecclestone, Erfinder des ‚Bounce‘, Mike Block, der oben erwähnte Frank Heer und Franz Hohler.

Service Puplic: Website Tom Combo // Website Verbrecherverlag Berlin

Auftritte von Tom Combo:

Do 5.12. ab 20 Uhr Cafi ParkPlatz Letten, Zürich, Die Pop-Fusion mit Dominik Dusek und Tom Combo, Popsongs und -Texte aus Thaw, Inneres Lind und Orgel&Ordnung (Dominik Dusek)

Sa 7.12. ab 20 Uhr Widder, Winterthur, 30 Jahre Widder-Kollektiv, Fest mit vielen Gästen, darunter Monozoo, Dominic Oppliger, Hasu Langhart solo uvm. Kurz-Show, Lind und Cellosongs, mit Dominik Dusek

So 15.12. ab 20 Uhr Helsinkiklub Zürich
Die definitive Taufe von THAW, Drum’n’Cello mit Dominik Dusek inklusive Bottervogel-Einlage, ein wenig Inneres Lind und einem flirrenden Exkurs in Dominik Dusek’s brandneues „Orgel und Ordnung“ (Unzufriedenheit Press). Dichtes Programm als Opening für eine der letzten Auftritte des legendären Trio From Hell (fucking viele schluchz-emojis)!

Do 23.4.2020 ab 20 Uhr Aprillen, Literatur-Festival, „Inneres Lind“, die lautere Lesung! Für drei Stimmen, Schlagzeug und Cello, mit Dominik Dusek und Anna Diener

An alle Raubritter und Wegelagerer: Für alle Inhalte dieser Website, ob Text, Bild, Video oder Audio, gelten Urheberschutzrechte. Die Autoren dieses Beitrags sind: Text: © Tom Combo und Vitaltransformer / Beitragsbilder: © Armin Büttner, Zürich und © Tom Combo

Ein Kommentar

Lass den Knüppel im Sack und teile Deine Denke mit uns...

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.