Nach längeren Gefängnisaufenthalten meldeten sich meine Freunde aus Bern »The Cotton Mafia« vor ein paar Wochen bei mir zurück. Sie entschuldigten sich als erstes für die etwas verzögerte Veröffentlichung von ihrem Album »Abraham«, dafür seien sie jetzt bibelfest.
Trotz all des durchlittenen Übels wird weiterhin viel gesoffen, das ist in den verwegenen Kreisen um »The Cotton Mafia« so üblich. Was durch diese Saufereien entsteht und anschliessend daran zugrunde geht, bringen sie in ihrer mittlerweile tradierten Manier mit requiemartigen Liedern zum Ausdruck.
Das unterdessen veröffentlichte Album »Abraham« dokumentiert ihre hinter Gittern aktualisierten aussichtslosen Einsichten in 7 Liedern. Hier nun ein kurzer Überblick:
1. Das Leben ist das Gift, das jeden von uns ins Jenseits fegen wird. Die Einsamkeit ist ein treuer, der Tod aber der treueste Begleiter von allen. Eigentlich bräuchte der nicht einmal schöne Augen, um das Begehren einer Parkbesucherin zu wecken. Diese empört sich kokett über ihr eigenes Verlangen, und steckt damit in etwa ihren Spielraum ab. Der ist klein und bietet kein Platz für grosse Dramen. Auch kein Budget für ein überschwängliches Bühnenbild. Es reicht nur gerade für einen Teich mit ein paar Enten darin und etwas Wind, der in herbstlich gefärbten Bäumen rauscht. – Tod
2. Ohne Zweifel, irgendwann wird ernst gemacht. Ob man dann noch Kraft hat um zu winken und ob die Winkerei mehr als eine romantische Geste ist, bleibt ungewiss. Die Lebenszeit als ein Untoter zu verbringen ist sicher nicht erstrebenswert. Darum darf unbedingt als Liebesbeweis gelten, wenn eine kommt und einem den Rest gibt. – Stoub
3. Gut zu wissen, dass unser Herz aus Pappe und Kleister ist. Falls sich Reparaturarbeiten aufdrängen, hat die entsprechenden Materialien jeder schnell zur Hand. Um mit Porzellan eine zerbrechliche Haut zu kriegen ist schon etwas aufwändiger. Bei Herzensangelegenheiten sollte man aber keine Mühe scheuen. Die Gefühlskälte jedoch kommt fast von alleine, weil man am Leben ja nicht wirklich warm werden kann. Daran ist wenig zu ändern, so wie Gott eben Viehzeug und nicht Mensch ist. – Geischter
4. Ja, wir leben noch immer in einer Zeit von Königen und Königinnen. Dazu gehören natürlich auch ein Schatzmeister, ein Hofnarr, allerlei Adel und Untertanen. Ruhe und Ordnung, ein jeder weiss wo er hingehört und keiner geht verloren. Die Lichter in unserer an sich dunkeln Welt gehen dort an, wo solche Königreiche aufblühn. Das werden sie, solange es noch Kaschemmen, Alkohol und Trinker*innen gibt. – Blau
5. Myriaden Dinge unter dem Himmel wiederholen sich. Auch die ungezählten Nächte mit den immer etwa gleichen, die Schlussszene vermasselnden Selbstdarstellern, die einen mit irgendwelchem Stuss volltexten. Anstatt mit den Fäusten zu sprechen, ist ein Song darüber zu schreiben das adäquate Vorspiel zu nachfolgenden Lockerungsübungen. – David
6. Raubtiere bändigen ist schwer, dass weiss jeder. Besser wäre es, Raubtiere als Raubtiere gelten zu lassen. Dies zu Ende gedacht, bringen aber die Kulturanstrengungen der Menschen in den Verdacht, sie förderten das Diktat einer nicht artgerechten Lebensweise. Die Variabilität des Rollenspiels ist der tragische Moment von jedem Dompteurspiel. Wenn das Tier schliesslich seinen Menschen frisst, ist das aber nur folgerichtig, konsequent und muss in jedem Fall gut geheissen werden. – Jakob
7. Unsere Altvorderen waren alles Schafsköpfe. Gut hat man sie und ihre Geschichten eingelocht, die Löcher zugeschüttet und darüber Gras wachsen lassen. Schafe können dieses nun beweiden und wir Nachgeborenen werden eines Abends zusammenhocken und Lammracks an Spiessen über dem Feuer braten und neue Geschichten erfinden. Noch grausamere, aber neue eben. – Abraham
Kritik: Ich werde den Eindruck nicht los, dass der Band die Zeit hinter Gittern nicht wirklich gut getan hat. »Abraham« kommt etwas abgeschlagen und blass daher. Die durchwegs starken und mit geschult kriminellem Auge abgefassten Texte hätten eine ausdrucksstärkere und sorgfältiger geschaffene Musik verdient. In den vorangegangenen Alben waren diesen resolut morbiden und grotesken Texten eine Musik mit einer beinah überschäumenden Lebensfrische gegenübergestellt. Das fand ich sehr stark und vermisse das nun ein wenig. Vielleicht habe ich nach jenen beiden mich sehr ansprechenden Alben »The Cotton Mafia« und »Wulle« nun zu grosse Erwartungen. Oder muss ich befürchten der Stern meiner Freunde sei im Sinken begriffen?
Text: Pierroz, Beitragsbild in Öl: Fjodor R. Petuschki, Fotos: Vitaltransformer
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