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Der Pan / Durchblick

Durchblick

von Patrik „Pan“ Bocco 7.7.1970 – 2.4.2014

Krieg mich nicht rein. blick nicht durch
der Sonne Leuchten spiegelt sich und bricht
Lieder schwer. Lippen wie Blei ohne Spruch.
nichts mehr zu sagen. nichts in Sicht.

Kaulquappen toben sich im Lampenlicht
jede gibt alles. die Schönste zu sein
nur Frösche werden können sie nicht
sie bleiben lieber Zuckerwatte und klein

über sich selbst hinauswachsen mit Stil
ohne dabei Mutationen zu erleiden
kommt’s immer zur Entscheidung: wieviel?
wie dick auftragen. wie wenig kleiden?

alles nur Schall und Rauch im Wind. mein Kind
wer möchte noch auf den Zug aufspringen?
und im Heizkessel landen. eher geschwind
brauchen schon Brennmaterial. uns fortzubringen

wohin geht die Reise. wen mal fragen?
du weisst es nicht. was machst du hier?
ich kann dir bei meinem Herz nicht sagen
aber komm mit und vertraue. trinke ein Bier

was kümmert uns all das Blend und Feuerwerk
all die Stromleitungen. die gedreht. gewendet
und respektiere nur den Sturm. Bezerk
der alles zerstören kam. Durchblick endet.

(dem Herbalist entnommen / Jahr 2000 Ausgabe #35)

Pan war Gründungsmitglied von Vitaltransformer

Tipp: An ausgesuchten Dienstagabenden werden im Misterioso Jazz Club Stummfilme, die von Jazz-Musikern live vertont werden gezeigt. Dazwischen und danach wird in der legendären Jazz-Plattensammlung des viel zu früh verstorbenen Patrik „Pan“ Bocco gestöbert.

Die nächste Perle wird am Dienstag, 7.4.2015 gezeigt
Ioic Institute Of Incoherent Cinematography Elisabethenstrasse 14a 8004 Zürich

Kassandra und eine Empfehlung

Kassandra Schnitt 2

Ein Freund hat mir empfohlen, mich, vom unseligen Treiben der Menschen, mit einem Glückssprung ins Elitäre, zu verabschieden.

Gut, wird gemacht. Im Anfang vielleicht nur als ein Ersatzspieler in einer der untersten Ligen der Elite, aber immerhin. Auf jedenfall gehen mich von dieser erhöhten Warte die weltlichen Sorgen rein gar nichts mehr an.

Diese, meine neue, bessere Welt, dreht sich nun also jenseits von Gut und Böse und entfernt sich mit immer grösser werdender Geschwindigkeit vom Elend des Allgemeinen (welches sich ja in ähnlich progressiver Weise erweitert).

Die mit diesem Auseinandriften entstehende Anziehung, kann ich paradoxerweise aber leichtfüssig, durch gelegentliches Abschiessen von Placebo-Signalraketen im digitalen Netzwerk ausgleichen. Bis jetzt.

Recycling-Sammelstelle

Einmal mehr kann ich nur betonen, dass die Recycling-Sammelstelle, hier in diesem Kaff wo ich wohnhaftiert bin, das Beste ist, was es hier gibt. Das ist der Ort wo der Normalverbraucher seinen Abfall hinbringt, das ist der Ort wo ich aus diesem Abfall schönstglänzende Perlen herausfische.

So geschehen wieder gestern, wo ich eine ehrwürdige Ausgabe von Herman Hesse’s „Siddharta“ fand. In Buchform kam diese „indische Dichtung“ erstmals 1922 bei S. Fischer heraus, meine Perle ist die erste Einzelausgabe vom Suhrkamp Verlag von 1950, gedruckt in dieser altehrwürdigen Frakturschrift, mit einem Waschzettel von Hugo Ball im Schutzumschlag, den ich hier ohne freundliche Genehmigung ins Web schicke.
siddhartaklein
Hugo Ball (1886-1927) ist jener, der als Dadaist startete und als Emigrant in der Nähe von Hesse im Tessin eine neue Heimat fand, sich dort strengläubigen Kreisen anschloss und alte Mystiker studierte…(das sowas von sowas kommt?) „Flametti oder vom Dandysmus der Armen.“ ist ein Lesevergnügen erster Güte; eines der raren Prosawerke von eben diesem Hugo Ball. jetzt folgt der klappentext….

Tipp des Tages 6

Neuschnee

es gibt kein altes und kein neues jahr und wenn der tag dämmert bleibt es dunkel, die sonne scheint auch in der nacht. mein herz schlägt nur, und wenn du das jetzt liest, dann weisst du, dass ich die ganze zeit immer nur, wenn man das noch denken nennen kann. mein herz klopft, es klopft an immer diesselbe wand, doch dahinter sagst du weder nein noch ja, du hast keine stimme und meine lungen füllen sich mit frost und atmen dieses zweite leben aus, das keines ist, weil das leben sich nicht in die karten schauen lässt. ich öffne die augen und sehe nicht, ich stehe auf und bleibe liegen. die bruchstücke meiner träume der letzten nacht, stopfe ich in den karton zu den vielen anderen, die ich dort aufbewahre, für ganz schlechte zeiten. und weil es nicht viel fantasie braucht um kalte füsse zu kriegen, aber viel fantasie um diese kalten füsse nicht zu spüren, schreie ich den ofen an, der sich nicht von selbst das holz in sein dummes maul schiebt, dem man wie einem kleinen kind alles, aber auch wirklich alles, vorkauen und zufüttern muss. es gibt kein altes und kein neues jahr und wenn der tag dämmert gehe ich raus und pisse deinen namen, in den über nacht gefallenen neuschnee.