Anna & Stoffner (duo) im Kunstsanatorium 16b
Text: Hansueli Homberger
Erst seit ein paar Tagen zurück aus Afrika, vollbeschäftigt mit Anpassungsleistungen an die Realität Januar Schweiz, kam der Abend im Kunstsanatorium wie gerufen. Flo Stoffner, im karierten Hemd, mit seiner halbakustischen Gitarre macht einen schönen Kontrast zu Anna Frey, elegant, hochgestecktes Haar, Blazer. Der Funke springt schnell. Wohl vor allem wegen Annas Texten.Sie benutzt gerne die Ich-Form, das schafft Nähe. Wie auch die Themen, die sie wählt: Das Gefühl, nicht zu genügen, Träume die daraus werden, Sehnsüchte… Diese Texte und die unglaublichen Sounds, die Stoffner seinem Instrument entlockt (nicht zuletzt dank gewitzt eingesetzter Effekte), verweben sich wie von selbst zu einer unerhörten Collage, frei von konventionellen rhythmischen oder harmonischen Behelfen. Einfach zwei Menschen die zusammen spielen. Dass Anna vorgefertigte Texte verwendet, setzt der Freiheit der Improvisation zwar Grenzen. Aber es ist genau auch der Inspirationspfeffer, der Anna&Stoffner zu fulminanten Höhepunkten aufschaukelt – und auch den nachdenklichen, zerbrechlichen Passagen die nötige Eindringlichkeit verleiht.
Mein persönliches Aha-Erlebnis war die Passage, wo Anna darum bittet, bettelt, für ihren Liebsten tanzen zu dürfen. Ob sie Song of Lawino* gelesen hat, den Klassiker aus Uganda? Wie auch immer, die Therapie im Kunstsanatorium hat mich hier richtig ankommen lassen. Es ist Lebensqualität, wenn man Sachen probieren kann – auch wenn diese Sachen so gross sind, dass sie eigentlich gar keine Sachen sind… Von solchen Sachen singt und erzählt Anna, in wunderbar eingängiger, unverschnörkelter Sprache, nicht ohne Humor, aber mit einer angenehmen Prise Selbstironie… Lebensqualität ist natürlich auch, dass es Orte gibt, wo solche Experimente überhaupt möglich sind – dass es ein Publikum gibt im Schnittfeld von Poesie, Rap und Jazz. Anna&Stoffner erhalten viel warmen und herzlichen Applaus an diesem Abend. Hoffentlich macht Ihnen das Lust auf mehr.
*Von Okot p’Bitek, Original in Acholi Luo, vom Autor selber ins Englische übersetzt und 1966 herausgegeben;
ISBN 978-9966-46-708-9, East African Educational Publishers; zb. via Orell Füssli
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