Wenn ich morgens aufwache überlege ich mir als erstes, wieviel Alkohol ich kaufen muss, um durch den Tag zu kommen. Ich braue mir einen Kaffee und versuche herauszufinden, ob das heute ein Bier- oder ein Weintag ist. Wenn noch Schnaps da ist, genehmige ich mir einen Schluck und dann noch einen und noch einen. Direkt aus der Flasche, die ich aber für jeden Schluck aus dem Küchenschaft herausnehme und dort wieder zu unterst ganz hinten hinstelle, den Schaft schliesse um ihn dann gleich wieder zu öffnen und die Flasche für einen weiteren Schluck hervorzunehmen.
Danach trinke ich Wasser ab dem Hahn, spüle den Mund aus und trinke den Kaffee. Ich mag es nicht, wenn sich ein Obstbrand am Gaumen mit Kaffeearomen vermischt. Jetzt fühle ich mich grossartig, am besten jetzt gar nicht frühstücken. Wenn ich wirklich guter Laune bin neige ich dazu, den Tag zu einem Weintag zu erklären, dann kann ich nämlich gleich los welchen kaufen gehen. Denn ein Weintag beginnt schon vor dem Mittagessen, während dem Kochen, was aber nur Symbolik ist, weil ich ja doch nicht kochen und nichts essen werde.
Also geh ich raus, entsorge das Leergut, immer woanders, und kaufe drei oder vier Flaschen Rotwein. Auch den kaufe ich immer an einem anderen Ort, um eben nicht als Berufstrinker in den Läden taxiert zu werden, wobei man den Trinker eigentlich schon daran erkennen kann, wie er einen Laden ansteuert und wie er sich darin bewegt, wenn man das Auge dafür hat. Zuhause wieder angekommen öffne ich eine erste Flasche und bete zu Dionysos, dass der Wein ok ist. Ok ist er, wenn er durchwegs geniessbar ist und bleibt, auch nach der zweiten Flasche und der dritten und so weiter.
Weil es gibt Weine, die dünken einem nach einer bestimmten Menge die man getrunken hat von einem Schluck auf den anderen sauer, oder fade, oder was beinah dass schlimmste ist, irgendwie parfümiert auf eine billige, primitive Art. Wenn dir das passiert, ist der Tag im Arsch, dann leerst du am besten das Zeug so schnell du kannst in dich hinein, legst dich hin und vergisst den Rest.
Wenn der Wein aber ok ist und funktioniert, dann hast du einen wundervollen Tag vor dir, den du so lange machen kannst wie du willst, oder so lange wie der Wein reicht, was mir immer noch beim Einkaufen schwer fällt richtig einzuschätzen. Weil wenn ich zu trinken begonnen habe und mir der Stoff ausgeht kann ich nicht mehr raus, ich wage mich schlichtweg nicht mehr raus, ich fürchte mich zu stark von dem, was alles passieren könnte und was für Folgen das hätte.
Darum, wenn der Stoff alle ist dann ist Schluss und wenns nicht aufgeht, ist das ziemlich hart oder einfach auch nur beschissen. Ein Risiko ist immer dabei, das ist im Leben so. Heikel ist eben auch, weil ich beim Wein nicht auf etwas anderes abspringen kann, auf Schnaps nicht, auf Bier sowieso nicht, das weiss ja jedes Kind. Wenn ich noch was essen würde, ginge das, aber ich esse schon seit längerem nicht mehr. Das macht nur träge, man kriegt Probleme mit der Verdauung und spürt den Alkohol nicht auf die wirklich reine Art, wenn man noch isst.
Von dem her ist ein Biertag dann doch die bessere Wahl, weil da kann ich, wenn es mir zu lasch zu und her geht, mich mit Schlucken aus der Schnapsflasche aufpeppen und wenn’s mir ein bisschen zu schnell abfährt auch cool mit eben mehr Bier und weniger Schnaps wieder ins Lot kommen. Wenn nur die ewige Pisserei nicht wäre.
So höre ich an einem Biertag etwa zwei, drei Stunden vor Schluss mit Bier auf und mache das Finale mit Schnaps, dazu stelle ich ein Glas Wasser auf den Tisch, um den Mund zwischendurch auszuspülen, das hat mir seinerzeit noch R. beigebracht. Ob ihn wirklich ein Magendurchbruch ins Off geschossen hat damals? Irgendwo habe ich einmal gelesen, es knalle einen an die Wand, als ob man aus nächster Nähe von einer Reihe Kugeln in den Bauch getroffen worden sei.
An solche Dinge denke ich, wenn ich wieder einmal beim Schnaps und bei R. angekommen bin, weil man ja viel Zeit beim Trinken hat und fast grenzenlos sinnieren kann, wie das alles gekommen ist, warum so und nicht anders.
»Tagesnotizen« Pierroz – Vitaltransformer 2020
Ein Kommentar
[…] Pierroz – Tagesnotizen 15.12.19 – 15. 1.20, Pierroz: Mir geht es ausgezeichnet, Warum so und nicht anders, Pierroz – Unikat auf einsamer Flur // bei Echo Kollektiv News: Was hat dich bloß so […]