D.T.Koller spukt mit Gift und Galle durch den Liedtext des Friede, Freude und Eierkuchen prophezeienden »Song of Fortune« von Deserto Parallax und Adaya
Deserto Parallax: I see the castle walls falling
D.T.Koller: Schön wärs, aber ich sehe ehrlich gesagt vor allem Mauern, die grade hochgezogen werden.
Deserto Parallax: I see the holy horses running through the mist of the early morning carrying the old law out of town
D.T.Koller: Für was alles Tiere noch immer missbraucht werden, es ist bedenklich. Die alten Gesetze werden aber zur Zeit eigentlich nur aus den Städten getragen, weil die grade zu Asche und Klump gebombt werden. Danach, so befürchte ich, werden diese alten Gesetze in einer noch rigoroseren Ausführung in die neuen hochgeklotzten Städte wieder hineingetragen
Deserto Parallax: I hear the sacred bells are ringing
D.T.Koller: Das solltet ihr vielleicht einmal mit eurem Psychotherapeuten in der nächsten Sitzung besprechen.
Deserto Parallax: I feel what everybody is feeling with our eyes open we are dreaming freedom will come soon
D.T.Koller: das mag ich nun wirklich nicht, diesen Absolutismus, diese Diktate. Ich lasse mir meine Gefühle nicht vorschreiben, von meinen besten Freunden schon gar nicht. Aufs gemeinsame Träumen bin ich ehrlich gesagt auch nicht aus.
Deserto Parallax: Every secret has its key
D.T.Koller: Das nennt man heutzutage simpel und einfach »Datenleck«
Deserto Parallax: I see the waves of change are rolling
D.T.Koller: Ja ich seh auch, wie einiges ins Wackeln gekommen und wohl schon bald den Berg runter kommen wird, bin mir aber nicht ganz sicher, ob wir dasselbe meinen.
Deserto Parallax: freedom will come soon
D.T.Koller: Ja das mit der Freiheit ist so eine Krux. Sie wird eigentlich praktisch von allen Parteien als Heilsversprechung eingesetzt, so dass man eigentlich misstrauisch werden müsste. Goethe hat mal bemerkt, dass der Mensch gar nicht für die Freiheit geschaffen sei. Zugegeben, ein unerfreulicher Gedanke, aber ein denkwürdiger.
Deserto Parallax: Fortune for those who are looking for, for those who are looking for
D.T.Koller: Glück – ach herrje, schon wieder so ein Schlagwort. Die ewige Glückssucherei hat für mich etwas Angestrengtes, Verkrampftes und dann ist sie faktisch auch noch mit einem Kritikverbot, mit einem Tabu belegt, was für mich das Glück eigentlich ungeniessbar macht.
Deserto Parallax: the swan with its virgin beauty leads you to the lake below giving birth to fair lady Helena
D.T.Koller: Den Schwan könnt ihr behalten, die jungfräuliche Schönheit auch, die schöne Helena aber schnapp ich mir.
Deserto Parallax: time is a thief he takes it all
D.T.Koller: Endlich mal ein aufrichtiges Wort, wurde aber auch langsam Zeit nach dem ganzen Schmus – Danke.
Deserto Parallax: The holyness has lost its glow
D.T.Koller: ja, die haben ihren Glanz weg, aber das haben aber andere auch. Und mit dem Glanz alleine werdet ihr eure Bälger auch nicht grossfüttern können.
Deserto Parallax: Down with the lords, Down with the steeple, we want freedom for the people
D.T.Koller: Punkt eins ja, zwei auch, bei drei bin ich mir noch so sicher. Es gibt Stimmen, die sagen dass Demokratie nicht viel anderes als der Zusammenschluss der Dummen sei… ähem
Deserto Parallax: If you change your life you change the system
D.T.Koller: Der Satz ist vielleicht mutig, vielleicht einfach aber auch nur dumm. Ich denke der hat seinen Ursprung in diesem hier: Verändere dich und du veränderst die Welt. Systeme aber zu verändern dünkt mich müssig. Ein System wird immer ein System bleiben und ich bin der Überzeugung, dass Systeme im besten Fall einige praktische Vorteile bieten, dem Menschen im Grunde genommen aber wesensfremd sind.
Deserto Parallax: Children are calling for wisdom
D.T.Koller: Das ist jetzt wirklich neu für mich. Da müsst ihr mir aber schon mal so nen Balg zeigen, der, wenn du ihm ein Vanilleeis, nen Spielzeugkampfpanzer und die Weisheit auf nen Tisch legst, nach der Weisheit greift.
Deserto Parallax: Truth is worth dying for
D.T.Koller: Wenn ich nicht schon tot wäre und also noch zu sterben hätte, würde ich das auf keinen Fall bestreiten wollen. Dass es aber wert wäre der Wahrheit zuliebe oder für sonst was zu sterben schon. Persönlich habe ich das Leben gerade durch die Erkenntnis seiner Wertlosigkeit erst richtig schätzen gelernt. Durch nichts möchte ich es vereinnahmt wissen, das beschnitte dann eben doch etwas, was auch ich noch als sowas wie Freiheit und Glück empfinde.
Zum Ersten: Was ich hier mit dem »Song of Fortune« angestellt habe, ist natürlich des Teufels. Ich habe den Liedtext völlig vom Lied getrennt, was unfair ist, denn ein Liedtext funktioniert nunmal grundsätzlich zusammen mit der emotionalen Ausstrahlung des Liedes, der Töne, der Melodien, der Musik.
Zum Zweiten: Der Liedtext ist reich an Metaphern, deren Wissen ich gerne ignoriere, weil ich abscheulich genug bin und denke, dass ein heutiger Schmalspurmensch kaum mehr eine Ahnung hat von diesen Namen und Legenden, egal ob die Phoenix, Helena, Jeanne d’Arc, Delacroix oder wie auch immer heissen.
Und zum Dritten: Ich mache hier mit meinen saloppen Bemerkungen einen auf »abgebrüht« der ich aber zugegebenermassen nicht bin. Kulturpessimistisch in fortgeschrittenem Stadium vielleicht und auch zivilisationsmüde. Dies könnte als frustriert oder depressiv gedeutet werden, was mir aber wurscht ist.
Fazit: Der »Song of Fortune« von Deserto Parallax gefällt mir sehr gut, er hätte aber definitiv einen klügeren Liedtext verdient. Darum meine Klatsche hier. Nichts desto trotz ist »Song of Fortune« ein aufrichtiger und in seiner Mittelung ein wichtiger Song.
Selten, dass ich in meinem Freundeskreis solcherart ernstzunehmende Absichtserklärungen vernehme und nichts wünschte ich mir mehr, als engagierte Arbeiten dieser Art. Aber ich fordere dem Ernst dieser Themen entsprechend, zupackendere, tatkräftigere und in ihrer Argumentation überzeugendere Songtexte. Es grüsst und umarmt euch euer D.T.Koller
Service Public: Der vollständige Liedtext ist dem Video bei Youtube beigefügt // Deserto Parallax bei Vitaltransformer / Deserto Parallax bei Echo Kollektiv / Deserto Parallax bei Bandcamp
Ein Kommentar
[…] Service Public 2: Deserto Parallax und Adaya spannen übrigens nicht zum ersten Mal zusammen, das haben sie auch schon beim Song »Song of Fortune« gemacht. Damals war ich nicht so zufrieden damit, nicht aus musikalischen Gründen, sondern der Liedtext kam mir irgendwie in den falschen Hals. Mein giftelndes Geschreibsel dazu findest Du hier: Deserto Parallax & Adaya – Song of Fortune […]