Ankunft der Winterpost am Hospiz auf dem St. Gotthard

Ankunft der Winterpost am Hospiz auf dem St.Gotthard. Nach einer Zeichnung von A. d' Aujourdhui - 1865

Das bunte und bewegte Leben, welches sich im Sommer auf der Gotthardstraße, die aus dem schweizerischen Kanton Uri nach dem Tessin und Italien führt, entfaltet, nimmt von Mitte September an allmählich ab, und in der zweiten Hälfte des October, wenn der Schnee schon tiefer in das Thal herabreicht, pflegt der Paß für Räderfuhrwerk geschlossen und die Postkutsche mit dem Schlitten vertauscht zu werden, welcher nun auf der von den „Rutnern“ freigehaltenen Straße den Verkehr vermittelt.

Wer je den Gotthard im Winter passirt hat, zwischen den hohen, oft 15 Fuß hohen Schneemauern dahingefahren ist, welche den für die Schlitten gebahnten Weg zu beiden Seiten einfassen, wer unter beständig die Luft erfüllenden Schnee- und Eiskristallen die Haut prickelnd gefühlt, dem wird unser heutiges Bild einer wohlthuenden Erinnerung sein, an die gastliche Stätte, welche ihn nach langer Fahrt durch die lautlose schneestarrende Gebirgseinsamkeit wärmend empfangen und zur Weiterfahrt gestärkt entlassen hat.

Ankunft der Winterpost am Hospiz auf dem St.Gotthard. Nach einer Zeichnung von A. d' Aujourdhui - 1865

Das von einem tessinischen Spittler besorgte Hospizium liegt auf der Passhöhe des Gotthard 6450 Fuß über dem Mittelmeere, in einer kahlen, leicht ausgewölbten seenreichen Thalmuschel; dicht an der Straße steht aus mächtigen Granitmauern aufgebaut die ehemalige Dogana mit Ställen und Waarenhallen und einer ordentlichen, von italienischen Bauern gehaltenen Wirthschaft, während auf einer kleinen Anhöhe seitwärts das etwas einladender aussehende Hospiz mit einigen Nebengebäuden liegt.

Der Spittler hat die Verpflichtung, für die Reisenden zu sorgen und einen Sicherheitsdienst durch Männer und Hunde auf der Straße zu unterhalten. Die Unbemittelten unter den Einkehrenden finden Herberge und Verköstigung unentgeltlich; Wohlhabende steuern gern eine Gabe zur Erhaltung des Hospiziums, das auch von seiten der Kantonsregierung durch Beiträge an Geld und Kleidern unterstützt wird.

Uebrigens trägt die schweizerische Postverwaltung auf das Umsichtigste Sorge, die Reisenden gegen die Unbilden des Winters gut zu schützen. Durch ein bis an die Brust heraufreichendes Deckfell und einem Pelzmantel gegen die Kälte nach Möglichkeit verwahrt, sind die zu zweien in den kleinen niedrigen Schlitten untergebrachten Passagiere ganz darnach angethan, selbst den Neid wohlversorgter Eskimos zu erwecken. (Abschrift, Original* – mutmasslicher Verfasser des Artikels: H. B.)

*(Illustrirte Zeitung – Seite 12, No. 1123. 7. Januar 1865 – Leipzig, Verlag der Expedition der Illustrirten Zeitung. J. J. Weber)

Ebenda (Illustrirte Zeitung – Seite 12, No. 1123. 7. Januar 1865), Seite 4, Rubrik „Wochenschau“ – „Auswanderungsangelegenheiten„:

Einige Gemeinden im Kanton Wallis verhandeln ihnen zur Last fallenden Waisen und uneheliche Kinder an Personen, welche nach überseeischen Ländern auswandern. So sah man kürzlich auf dem Bahnhof zu Lausanne einen Auswanderer nach dem Senegal, der neun Mädchen von 8 bis 13 Jahren mit sich führte. Es ist auffallend, dass dieser schmähliche Kinderhandel geduldet wird.

Beitragsbild: Original-Beschriftung: »Ankunft der Winterpost am Hospiz auf dem St.Gotthard. Nach einer Zeichnung von A. d‘ Aujourdhui« – Fotografie der Originalzeitung – Ausschnitt (Illustrirte Zeitung – Seite 3, No. 1123. 7. Januar 1865 – Leipzig, Verlag der Expedition der Illustrirten Zeitung. J. J. Weber) – Archiv Vitaltransformer

Service Public: Durch puren Zufall (Fundstelle: Recycling Sammelstelle) sind wir auf einige Ausgaben dieses Jahrgangs gestossen. Solches und anderes mehr, ist aber auch frei zugänglich in der Bayrischen Staatsbibliothek in professionell katalogisierten Archivformaten abrufbar. (D.T.Koller)

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