Susann Klossek: Varanasi Endstation Ganges

Susann Klossek Varanasi Cover Freiraum-Verlag iwi-design.de 2019

Mit der Aufregung unserer Zeitgenossen, die Welt endlich an den Rand aller denkbaren Katastrophen geführt zu haben und der Vorfreude, sie danach wieder retten zu dürfen, ist das Buch »Varanasi Endstation Ganges« von Susann Klossek in der Tat ein prima Eisbrecher.

Teilt sie uns doch in ihrem Bericht aus der heiligen Stadt am Ganges in Indien mit, dass deren Bewohner die Apokalypse eigentlich bereits hinter sich gebracht haben und dass die Welt auch nach ihrem Untergang für die Menschen noch immer gut genug ist.

Als erstes trete man in einen Haufen Scheisse, der Aufenthalt in Varanasi beginnt also nicht viel anders als ein Leben bei uns. Für das Erlebnis “Kuhscheisse” brauchte man gerade von der Schweiz nicht unbedingt nach Asien zu reisen. Doch selbstverschuldet, durch eine gewonnene Ausschreibung der Kulturabteilung der Stadt Zürich für ein Auslandstipendium, ist Klossek in diesen Moloch geraten.

Susann Klossek Lese-Performance Rote Fabrik Zürich »Der Mann im gelben Kleid, Das Hohelied der Flughunde«

Damals, als das Aufgebot für ihren Aufenthalt im Alice Boner Institut in Varanasi kam, hatte ich einen Verdacht, den ich ihr auch mitteilte, man wolle versuchen, sie »loszuwerden«. Ihre Beschreibungen von den Verhältnissen dort, wo das Verderben zu allen Tageszeiten um jede Häuserecke grinst, bestätigten dann meine Befürchtungen. Doch die Klossek ist robuster als die Summe aller Gefahren und Anfeindungen dieses Planeten, inklusive dem prall gefüllten Sack voll tödlicher Viren, mit denen sie sich in Varanasi konfrontiert sah.

Klossek zeichnet ungeschminkt aber überaus fair und mit der überlebensnotwendigen Portion Humor die Mengenlehre dieser ihr sich eröffnenden Welten, die abgründigen Szenerien dieser indisch heiligen Stadt und die Schnittmengen die entstehen, wenn sie als Europäerin dort in dieses Tohuwabohu mitmischen geht. Durch Klosseks ausgezeichneten Beschrieb ihres gelebten Kulturschocks, schält sich so etwas wie eine Vorstellung dieser über die Jahrtausende fragwürdig gebliebenen Spezie Mensch heraus.

Der Segen der Götter scheint nicht wirkungsvoll genug, der zu kultivierende Raubaffe blieb irgendwo auf halber Strecke im Unheiligen stecken. Als Leser wird man nachdenklich, schaut in den Spiegel und sieht da einen, der eigentlich ein ganz anderer sein möchte. Aber Achtung, genau solche Einbrüche treiben typischerweise gerade den Europäer gen Asien zb. nach Varanasi in die Arme rossgesichtiger Gurus. Man lese Klossek und besinne sich eines besseren. Einige von ihr skizzierten Erleuchtungstouristen kommen da nicht so gut weg. Auch das mit dem Rietbergmuseum in Zureich liierte Schweizer Kulturprojektlein Namens »Alice Boner Institut« kriegt seinen Speck weg.

Susann Klossek, Lesung im Kunstsanatorium 16b in Zürich

Klosseks Schreibe hat Schmiss, Ihr Bericht aus Varanasi ist in der offen kommunizierten subjektiven Sichtweise ein Beschauen in Spiegelbildern, also auch Kritik der eigenen Prägungen, ohne Rücksicht auf Verluste. Darüber hinaus lernt man den Ort, Gesellschaft, Politik (Zeitraum Jan.-Apr. 2017), die Umstände und was zu diesen führte recht gut kennen, weil gründlich recherchiert und kompakt aufbereitet.

Kritischer Reisejournalismus hat Susann Klossek gut drauf, schon im »Drecksack« las ich prima Reportagen von ihr. Sie ist eine Schriftstellerin die auf verschiedenen Klaviaturen, von Journalismus über Prosa bis Lyrik, auf hohem Niveau spielt. Eine dieser Qualitäten ist die, dass ich bei »Varanasi Endstation Ganges« schlichtweg vergass, dass ich lese und ich mich in einem Film wähnte.

Die das Buch passend bereichernde Tonspur »Sound aus den Strassen von Varanasi«, auf Klossek’s Website abrufbar, lassen einen endgültig nach Indien reisen, wohlgemerkt, ohne sich vom Stuhl erheben und in Unappetitliches treten zu müssen. Wiedererkennbar würde ich sagen, ist Susann Klossek durch ihren sarkastischen Humor, den lässt sie sich nicht nehmen, hoffentlich bleibt er ihr treu, auf den noch kommenden und zu bestehenden Abenteuern…

Links: Susann Klossek Website // Klossek Blog // Zeitung Drecksack Berlin Autoren // Susann Klossek beim Gonzoverlag

Susann Klossek bei Vitaltransformer: Der Mann im gelben Kleid // Jede Silbe ist Ausdruck prallen Lebens // Darf ich ihnen das Fick Dich anbieten?

2 Kommentare

Lass den Knüppel im Sack und teile Deine Denke mit uns...

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.