Susann Klossek und Benedikt Maria Kramer haben kürzlich unter dem Titel „Der Mann im gelben Kleid“ ein freches Stück Literatur in Form eines lyrischen Dialogs veröffentlicht. Wir waren nun unsererseits frech genug, ihnen per Mail zu ihrer Schreibe ein paar Fragen zu stellen. Sie haben unabhängig voneinander uns ihre Antworten zugesandt.
Vitaltransformer: In Eurer Schreibe kommt viel Widerwillen zum Ausdruck: Wogegen kämpft Ihr an und wofür setzt Ihr Euch ein?
Susann Klossek: Gegen die Dummheit.
Benedikt Maria Kramer: Ist das politisch gemeint? Aber ja, ich hab zu kämpfen. Nicht unbedingt mit gesellschaftlichen Normen und Mustern, dafür umso mehr mit mir selbst. Also Kramer gegen Kramer. Ha! Vielleicht sind es Dämonen oder nur Selbstmitleid, wer weiß. Die Hoffnung: Wer gegen sich selbst kämpft, kann mit sich auch wieder Frieden schließen.
VT: Ihr habt da einen nicht geringen Anteil an Eros, Sex und Porno in Eurer Lyrik…Hat die Kultur einen Nutzen an der Sexualität?
Klossek: Je weniger Sex man hat, umso mehr redet man drüber. Ob die Kultur aus der Sexualität einen Nutzen ziehen kann, weiss ich nicht. Ich denke aber, würden die Menschen mit dem Thema entspannter umgehen und mehr Liebe machen, hätten sie weniger Zeit für Schwachsinn. Hätte Hitler mal ordentlich gevögelt, wäre uns der 2. Weltkrieg wahrscheinlich erspart geblieben. Prüderie, Verklemmtheit und falsch verstandene Moral führen zwangsläufig ins Desaster.
Kramer: Naja, ohne Sex, gebe es keine Menschen, die Kultur machen. Also schon ganz nützlich. Derweil distanziert uns die Erotik von der Welt. Aus dieser Distanz spricht der Autor, prostituiert sich, kehrt sein Geheimstes – das Verbotene und Verletzliche in die Öffentlichkeit. Es mag der Versuch sein, Außen- und Innenwelt zu kitten. Das ist die Obszönität in Kunst und Literatur.
VT: Nennt ein Buch das Ihr kürzlich gelesen und hammerstark gefunden habt. Warum?
Klossek: Hammerstark ist ein grosses Wort. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch hammerstark fand. Je älter (und abgeklärter?) ich werde, umso schwieriger ist es, mich für etwas wirklich zu begeistern. Das ist schade. Das klingt jetzt wahrscheinlich überheblich – und ist es vielleicht auch – aber das meiste, was mir an neuer Literatur heute so unterkommt, ist mittelmässig und hofiert den Mainstream. Mainstream muss nicht schlecht sein, tut aber auch nicht weh, eckt wenig an, regt selten zum (Um)denken an. Aus dieser Warte betrachtet hat mich Michel Houellebeqcs «Unterwerfung» schon begeistert, auch wenn ich es nicht für sein bestes Werk halte. In einem Interview zu «Unterwerfung» hat er gesagt: «Hinter die Philosophie der Aufklärung lässt sich ein Kreuz machen: verstorben.» Auch wenn ich das Gegenteil hoffe, befürchte ich, dass es so ist.
Kramer: Habe kürzlich alte Liebesgedichte von Wolf Wondratschek gelesen. Das war ein großartiges Erlebnis. Seine Gedichte sind auf den ersten Blick einfach gestrickt und unaufgeregt und rühren mich trotzdem oder gerade deswegen. Das Adjektiv „hammerstark“ mag ich nicht.
VT: In Eurem Buch bemüht Ihr Gott und den Himmel. Werdet Ihr das in einem kommenden Buch wieder tun?
Klossek: Bemühen, ja. Ich habe mit Gott nichts am Hut. Was mich betrifft also: nein.
Kramer: Immer. Himmel und Hölle sind zustellungstechnisch die einzig sinnvollen Adressen.
VT: Das Buch endet sinngemäss mit der Aussage: «Ich brauche Hilfe» Braucht Ihr Hilfe? Was für welche?
Klossek: Wer behauptet, er brauche keine Hilfe, hat schon die erste Lüge ausgesprochen. Wir brauchen einander, ob uns das passt oder nicht. Schwach, bedürftig zu sein ist ebenso wenig eine Schande, wie Hilfe anzunehmen oder anderen mal selbstlos die Hand zu reichen.
Kramer: Das ist doch die große Frage: Kann irgendjemand irgendetwas tun? Und wenn ja, ist uns überhaupt noch zu helfen?
VT: Eure Lyrik ist eine teils bittere Sicht auf Euch selbst und die Welt. Wo bleibt das Positive?
Klossek: Wir alle haben eine dunkle Seite und die muss eben manchmal raus. Lieber in Texten, als dass man jemand über den Haufen schiesst. Für die einen ist das Wasserglas halb voll, für die anderen halb leer. Vor allem dürfen wir aber nicht vergessen, dass ein grosser Teil der Leute auf diesem Globus weder Glas noch Wasser hat. Es gibt nichts zu beschönigen. Und irgendeiner muss es ja mal laut aussprechen.
Natürlich gibt es auch sehr viel Schönes, Frohes, Helles und Liebe auf dieser Welt. Ich lebe sehr gern und kann mich, global betrachtet, echt nicht beschweren. Trotzdem leide ich mitunter an mir selbst. Und auch an der Welt und ihren Bewohnern. Und wenn man sich die momentan so anschaut, gibt es wirklich keinen Grund zum Optimismus.
Kramer: Vor ein paar Monaten fragte ich meinen Therapeuten, ob es nicht so etwas wie ein Grundrecht auf Glück gebe. Er sagte zu mir: „Schauen sie doch mal da raus, Herr Kramer. Die Welt ist nicht zum Glücklichsein gemacht.“ Also hallo? Selbst in „Heidi“ gibt es traurige Kapitel.
VT: Letzte Frage: Zitat: «Wer dann wen fickt wird sich zeigen» (Seite 49) Wer wird wann wen ficken? Wir bitten um eine kleine Vorschau.
Klossek: Willst Du das wirklich wissen? Vielleicht bist Du es ja.
Kramer: Mir egal, wer wann wen oder was fickt. Von mir aus auch ins Knie.
…ähem: Dankeschön… und Liebe Grüsse an Euch, Susann Klossek und Benedikt Maria Kramer. Speziell bedanken möchten wir uns auch bei Roman Maeder von Milk & Wodka, der uns seinen „Mann im gelben Kleid“ für diesen Blogbeitrag freiegeben hat
Kommende Lesungen: 5.12. Kunstsanatorium 16b Zürich // 6.12. Clubraum Rote Fabrik Zürich // 7.12. Kunstraum Reinart Neuhausen am Rheinfall
www.benedikt-maria-kramer.de
www.susann-klossek.ch
www.gonzoverlag.de
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