Zwischen Stuhl und Bank ist der Name einer Kunstausstellung im Kammgarn West in Schaffhausen. Noch bis am 2. Oktober werden dort von vier Kunstschaffenden mit ganz unterschiedlicher Ausrichtung aktuelle Werke gezeigt.
Die Ausstellungsräume sind gross, weit und hoch auch, ideal um auch grosse Arbeiten zu präsentieren und auch ein Genuss, solche dort betrachten zu gehen. Kurator ist Frank Lüling, der ist selber Kunstschaffender und vor allem durch seine Bauschaumobjekte bekannt. Die Kunstschaffenden, die er eingeladen hat, sind bis auf Ana Vuijc alles Bekanntschaften, die er an der Kettenreaktion 16 gemacht hat. Von daher ist es auch nachvollziehbar, dass diese Bezüge zu Street Art, Wandmalerei und auch teils illegalen Kunstinterventionen haben.
Betritt man die Ausstellung, sieht man sich gleich einmal mit den „Menschlein“ von Maja Kopp konfrontiert und gewissermassen also auch mit sich selbst. Mich machen Majas Werke immer wieder Schmunzeln, ihre Darstellung des menschlichen Mühens und Ringens, seine meist ein wenig tragischen Befindlichkeiten im Unergründlichen, wirken auf mich erfrischend, lockern auf und geben mir auch ein wenig Trost, weil ich mich selbst darin wiedererkenne.
Gegenüber der grossen, direkt auf die Wand geklatschten Szenerie, zeigt Maja ihre sehr einnehmenden Schubladenbilder, alles Situationen, dargestellt mit ihren vereinfachten Figuren, gemalt auf alte Holzschubladen.
Die Gruppe Vandali, die es bevorzugt anonym zu bleiben, die in der Museumsnacht eine Farb-Performance vollzogen hätten – gibt es davon Dokumente, Zeitspuren, Bilder, Filmmaterial??? – haben in einem seitlichen Raum, mit ihren gebrauchten Gerätschaften, ihrem Handwerkszeug (auch Arbeitsmaterialien, Schuhe Schutzanzüge, etc.), eine absolut coole Installation hingemacht. Man kann die Action richtiggehend riechen, den Nervenkitzel nächtlicher illegaler Interventionen; das Ganze hat den Charme von Kriminalistik, von Tatwaffen & Co.
Geht man einige Schritte weiter, steht man vor »Vertigo«, dem einen von zwei Werken die Ana Vujic aus Basel nach Schaffhausen mitgebracht hat. Das sind Kohlemalereien auf aneinander gefügten Papierstreifen. Ich weiss die Masse des Papiers nicht genau. Die Bilder sind etwa 3 Meter in der Höhe und gegen 4 meter in der Länge, einfach wirklich wundervoll gross. Das tut seine Wirkung, keine Frage. Die Kunsthistorikerin Isabel Balzer schreibt zu Vertigo: »Vertigo – ein falsches Gefühl der Bewegung. Man dreht sich, während die Welt um einen herum weiterdreht; oder man steht still und die Welt dreht sich und verhindert den Fokus auf das Wesentliche. Ein Pferd ergreift die Flucht, es entflieht der Gefangenschaft. Ein Gefühl von Einsamkeit, Hilflosigkeit und Panik, gleichzeitig auch Erleichterung, Hoffnung, setzen bei der Betrachter*in ein.« (Aus einem Infoblatt zur Ana Vujic Ausstellung »Terrain Vage« bei Guillaume Daeppen in Basel)
Das zweite Werk von Ana Vujic, die übrigens hier bei uns vor einigen Jahren einmal ein Gastbeitrag mit dem Titel »Verweigerung des Sinns« platziert hat, heisst »Unter Strom«
Da stelzen drei Jungs durch einen Tunnel, eine ziemlich riskante Unternehmung, sollte man ein solches Spiel in die Realität umsetzen wollen – lieber nicht, denk‘ ich bei mir. Auf Papier kann, darf oder soll man natürlich hemmungslos solche Szenerien schaffen und sich so am eigenen kühlen Prickeln beim Beobachten der je nachdem ins Traumatische abdriftenden Betrachter erfreuen. Nein, eine solche Seelenschwärze möchte ich Ana nicht unbedingt anhängen, aber knackig, bissig und auch eine Unruhe oder eben Beunruhigung, darf schon eines der Mitnehmsel sein, die sie mit Absicht und vor allem auch mit überzeugender künstlerischer Ausdruckskraft, einem mitzugeben versteht.
An der Wand gegenüber sind graphische Arbeiten von Didi von Wartburg zu sehen. Bei einer seiner Arbeiten, ich erinnere mich gut, hat Frank Lüling gesagt, eine solche tiefe Schwärze wie bei einer jener Grafiken, habe er noch nie erlebt. Mir sind seine Werke in der Tat »zwischen Stuhl und Bank« gefallen, ich glaube mir war grade nicht danach. Immerhin habe ich eine Webseite entdeckt mit Arbeiten von ihm und auch den Eintrag »Der Spotter« auf dem Kettenreaktion 16 – Blog, der das Bild bespricht, dass Didi von Wartburg dort gemeinsam mit Felix Bircher geschaffen hat.
Und so sind wir bei Felix Bircher angelangt, auch er ursprünglich ein Graffer, den es aber auf den Nägeln gejuckt hat, ein Jucken, das ihn soweit trieb, sich auf Fotorealismus einzulassen, eine ziemliche Schufterei, was er dann, wie er mir erzählte, erlebt hat. Nennen tut er seine Serie nun »jpg-realism« und das passt ganz gut, weil die Art seines Fotorealismus in meinen Augen eine klare malerische Gewichtung hat, mit der Dynamik von Pinselstrichen und nicht die Härte einer nachgeahmten hochaufgelösten digitalen Reproduktion. Die hier gezeigten Ansichten sind zwei Ausschnitte aus dem Bild »Gilet Jaune«, also ich habe dieses mal so getauft. Auf der Webseite von Felix Bircher, sieht man gleich zuoberst auf einer Linie, die drei im Kammgarn West gezeigten Werke.
Service Public I: Zwischen Stuhl und Bank – Kammgarn West 1. OG, Baumgartenstrasse 23, 8200 Schaffhausen – Donnerstag 17 – 20 Uhr / Samstag 14 – 19 Uhr – Finissage: Samstag 2. Oktober 2021, 18 – 22 Uhr – Ein Projekt des Vereins für sinnvolle Raumnutzung (VSR)
Service Public II: Das Vorschaubild zeigt ein Werkzeug der Künstlergruppe Vandali
2 Kommentare
Natürlich wünsch ich euch, dass ihr schnell wieder aufsteht, wenn Schaffhausen euch wirklich zwischen Stuhl und Bank fallen lässt
hmmm… …also wer richtig fällt, lieber Fritz, der steht nicht mehr auf. und die, die dann doch wieder aufstehen, denen -so möchte ich meinen- fehlt es an innerer Überzeugung.
ich grüsse Dich ganz Herzlich – Pierroz