»Züri brännt« – Chronik eines Liedtextes

Paul Weixler, Zürcher Liedermacher, Räuber und Rebell

»Züri brännt« finde ich nun wirklich nicht den besten, von den vielen starken Liedern, die Paul Weixler geschrieben hat. »Züri brännt«, in der Urversion ein kurzes, kaum verständliches Gerotze der Punk Band TNT, das zum Schlachtruf der Zürcher Achtziger­bewegung wurde. Die hätten ihm den unfertigen Liedtext einfach geklaut -so lautet Paul’s Fassung der Geschichte-, und ihn dann aus der Clique raugeschmissen, das habe ihn damals in den Wahnsinn getrieben.

Sein Malheur und das jener Zeit, und dabei erwähnt Paul nebst einem legendären Konzert der Rockband »The Clash« auch immer die Selbstverbrennung einer jungen Frau auf dem Zürcher Bellevue, waren Anstoss zu beeindruckenden Liedern, die Paul in der Folge seiner traumatischen Erlebnisse schreiben musste. Schreiben musste, um wieder Boden unter die Füsse zu kriegen. Zürcherischen Stadtboden übrigens, Pauls angestammtes Jagdrevier als Räuber und Partisan, denn abhauen, so scheint es, war für ihn nie eine Option. 

Auch exzellente Mundart Adaptionen von englischsprachigen Rocksongs, die er mochte, schrieb Paul. Und über all die Jahre hat er an seinem verdammten »Züri brännt« herumgefeilt. Er gab keine Ruhe bis er einen Text beisammen hatte, der gescheiter war, als das Wixerstadtgerotze der Urversion. Die neue Version im Studio zu fixen, sei dann noch einmal eine Katastrophe für sich gewesen und das Ergebnis finde ich persönlich, nur mit Vorbehalt geniessbar.

Ob an einer Strassenecke oder auf der Bühne, Paul ist als Performer praktisch unschlagbar, wirklich super. Die unter seiner Fuchtel produzierten Studioarbeiten sind es leider nicht.

Fürs 40 Jahre Jubiläum der Achtziger­bewegung hat er nun sein »Züri brännt« auf Youtube publiziert. Um weiteren Zwist zu vermeiden, hat er schon gar nicht mal mehr seinen Namen darunter hinschreiben wollen.

Ende gut, mit den Zürcher 80ziger Jahren. Zürich heute, ist weit ab von irgendwelchen Bränden. Viele der Rebellen von damals, wenn sie dann noch leben, sind Teil des vorgängig bekämpften Establishment geworden. Andere gingen früh in Rente, via Sozialamt, Invalidenversicherung, oder hängen am Tropf der Institutionen für Kulturförderung. So ein Rebellenleben ist dann auf die Dauer eben doch nicht so prickelnd, hierzulande.

40 Jahre sind vergangen, die Rote Fabrik Zürich sei in Feierlaune und die damaligen Brandstifter machten dort mit »80s come together« eine Jubiläumsfete, habe ich gehört. Somit ist ja das Geforderte erreicht, die eigenen Feste feiern zu dürfen. Ging es den Revoltierenden ja damals um nicht viel mehr, als um eine Umgestaltung des Unterhaltungs- und Freizeitangebots. Immerhin, der Paul kriege nach 40 Jahren Verbannung nun seine Rehabilitation, er dürfe Auftreten und sein »Züri brännt« absingen…

Beitragsbild: Paul Weixler / Bild: Vitaltransformer / Text: Pierroz

Beiträge von und über Paul Weixler bei Vitaltransformer

Beiträge in der Fabrikzeitung zum Jubiläumsjahr von Anja Nora Schulthess : »Beton, Bünzlis, Barrikaden«

5 Kommentare

  • danke Pierroz,
    ich ha jenschti mal probiiärt dir än Kommentar z’schriibä, aber es hät en jedesmal gelöscht, Viillicht klappts eso.

    das schtimmt jetz’aber würkli nöd, das Züribrännt nöd s’allerbeschte Lied vo dä ganze Wält isch, immerhin schruubi sit über vierzig Jahr dranumä und ich fang’grad nomal vo vornä a, jetz chunt nämli nüme druf a.

    Wänn mä ganz am Aafang vo dä Rächnig scho en Fähler macht, cha mä sich nachär noso Mühe gäh, es wird nuno schlimmer. Findi ja total geil, dass Du das alles eso ärnscht nimmsch, mir gats ja ähnlich und ich machs nöd extra.

    Aagfangä hät’s ja inäre Ziit, wo dä Bob Marley us sinerä Music ä Religion gemacht hät, und ich ha das alles weisch wie fescht glaubt und eis zu  eis genau so erläbt.
    Nur darum hät mich das eso tüüf  troffe, wo genau die voll uf mich los sind, wo am meischtä  vo mim Iisatz profitiert händ.

    Es isch ja zersch ämal nur drum gange es Lied gägä soziali Missschtänd z’machä und plötzli han ich Problem übercho, won ich gar nöd gwüsst han, was da mit mir passiert. Ich bin total durädräht und  han irgendwie müsse luegä, wo das ich dä Fadä verlor han, es gibt gar kei anderi Möglichkeit.

    Punkt färtig kwrzmähhaulpstkrächzuuneijetzchunzwiiderpaul

    • Lieber Paul, Danke für Deine Worte, für die Einblicke, die Du uns mit Deinen Darstellungen gewährst.

      Es sei darum gegangen ein Lied gegen die sozialen Missstände zu machen, schreibst Du. Wer hat sich denn damals für sowas interessiert, Du Paul, und wer noch? Sind die sozialen Missstände nicht durch alle Zeiten in etwa die gleichen, eben so, wie auch es auch in Deinem Liedtext lautet: »immer und ewig sgliche schpiel«?
      Wars nicht einfach eine Wut, gegen eine die Spielregeln diktierende Generation, oder hast Du und Deine Kumpanen tatsächlich noch an Gemeinschaften geglaubt, oder an die Möglichkeit gesellschaftliche Veränderungen durch Revolten voranzutreiben?
      Und warst denn Du mit diesem Brandschatzen und Kaputtschlagen einverstanden? Sag uns das mal, wenn Du grad nebst Deinem »Im Wald Abfall sammeln« noch Lust und Zeit für was hast…

      Sei Herzlich Gegrüsst, Dein Partisan Pierroz

      • Lieber Pierroz
        danke für Deine Nachfragerei, aber eigentlich fühle ich mich schon wieder nicht verstanden…

        Ja natürlich hat es damals nur so gewimmelt, von Hannes Wader, Konstantin Wecker, Reinhart May, Udo Lindenberg, Franz Josef Degenhat, Hans Dieter Hüsch, Walti Lieta, Toni Vescoli, Werner Widmer, Polo Hofer, aber in englisch-amerikanisch, ist das bei mir ganz anders rübergekommen (Ton-Steine-Scherben hab ich vergessen)
        Ich wollte dass es bei uns auch so frech tönt und es war mir richtig oberpeinlich, dass wir das nicht auch hinbekommen.

        Ja, und nachdem ich dann wirklich echt total durchgeknallt bin, war ich dann in einer absoluten Notlage! Es ist ein Zustand, der sich nicht beschreiben lässt, psychotisch schlafwandlerisch, Amok…

        Dampfhammermässig wurde ich ständig daran erinnert, dass es mit »Züri brännt« angefangen hat und ich jetzt diesen Punkt bereinigen muss.
        Und es kam ständig immer wieder die gleiche Geschichte dabei heraus – jedesmal, wirklich jedesmal wenn ich versucht habe »Züri brännt« zu vertonen, kam es zum Konflikt, weil mir alle ihre eigenen Vorstellungen aufdrängen wollten. Aber es wurde so auch zum Heilmittel, weil ich ja auch gezwungen wurde irgendwie damit fertig zu werden.
        Aber es ist ja nie fertig, wie Du ja jetzt selber gemerkt hast.

        Aber wichtig ist ja einzig die Entwicklung, die ich selber durchgemacht habe. Ich bin nicht mehr paranoid, ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass ich noch einmal durchknalle, weil ich alle diese Lieder darüber habe

        Paul / 16. April 2020

        • Lieber Pierroz, 17. April 2020

          wir müssen höllisch aufpassen, dass wir uns ja nicht wieder ins Chaos ziehen lassen.
          »Züri brännt« ist das Heilmittel, das meine Konflikte ans Licht gebracht hat, damit sie gelöst sind.

          Es ist doch immer nur einzig dieses absolut oberaffengeile Gefühl der Befreiung das »Züri brännt« möglich gemacht hat: der Weg ist das Ziel! Und es war auch immer wieder der gleiche Schock, weil das Gegenteil eingetreten ist: ich war in einer übleren Lage als je zuvor.

          Das ist eben das gleiche, was jetzt auch wieder passiert: Ich komme mit dem heiligen Gral; dem Ergebnis von über vierzig Jahren Befreiung und Du findest; das ist es leider nicht.
          Übrigens ein Mittel, das auch im Zen-Buddhismus angewendet wird, um die Wahrheit zu erkennen, da wird auch immer alles über den Haufen geschmissen, weil die Wahrheit ist das, was nicht zerstört werden kann, sonst ist es nicht die Wahrheit.

          Also nochmal, damit das wirklich klar ist. Ich war mit meiner vollen Begeisterung »Züri brännt« am machen, und dabei explodiert alles, und ich frage mich; es hat so geil angefangen, was ist passiert? Und es passiert wieder und wieder und jetzt kommst Du mit Deinen Sticheleien und versuchst meine Seifenblase zum Platzen zu bringen.

          Jetzt kannst Du Dich selber fragen; was ist das eigentlich für ein Impuls, der Dich jetzt antreibt, das zu tun was Du tust, wenn nicht die reine Lebensfreude!

          »Ich chas drülle wie’n ich will, es sich es Narrespiel«

          Das ist doch das gleiche: Wieso können die solche Songs machen und wir nicht, oder wie würde das tönen, wenn ich jedes Wort verstehen könnte. Geht jetzt ein Licht auf, merkst Du wie es Dir wöhler wird, wie es sich löst? Das ist es, darum geht es!

          • Ach Paul, du mit deiner Angst vor dem Chaos. Ich fürchte mich ehrlich gesagt mehr vor dem, was mir hier tagtäglich als Ordnung präsentiert wird. Ein Narrenspiel ja, da bin ich wieder ganz Deiner Meinung. Wenn du mir mit »wir« kommst, wird mir aber bereits wieder flau in der Magengegend.

            Dass Du das Diktat der anglo-amerikanischen Besatzungskultur überwinden konntest, ist sicher dein ganz grosser Verdienst. Dass du deine Werke als Heilmittel deklarierst ist deine Sache. Keine Bange lieber Paul, deine Lieder halten meinen Sticheleien problemlos stand. Deine Lyrik soll besprochen, kritisiert, gefeiert oder auch abgelehnt werden dürfen. Der reinen Lebensfreude zuliebe, wie du ganz treffend bemerkst.

            Von wegen Lebensfreude: Anja Nora Schulthess schreibt in ihrem neuesten Artikel in der Fabrikzeitung »Opernhaus-Krawall 2.0«, von einem Anruf, wo ihr jemand ein unerhörtes Gerücht übermittelt habe. Zitat: »Die Alten, wurde mir geflüstert, die Zürcher-Alt-Achtziger genau genommen, planten am 30. Mai, vierzig Jahre nach dem Opernhauskrawall, eine Aktion auf dem Sechseläutenplatz«.

            Das ist diesen Samstag: Nichts wie hin Paul! Jetzt wo doch dein Auftritt am »Züri brännt« Fest in der Roten Fabrik ohne Schall und Rauch den kalten Kamin hoch ist. Ich hoffe dir bietet diese Aktion auf dem Sechseläutenplatz dafür einen befriedigenden Ersatz. Du Paul, ich zähle auf dich, wünsche dir viel Spass, und erzähl mir dann, wie’s war.

            Herzlichst, dein Freund und Partisan Pierroz // 28.Mai 2020

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