Da geht man morgens nach Neun arglos in sein Stammcafé, um sich eine erste wohlverdiente Pause zu gönnen, tritt ein bestätigt mit freundlichem Nicken in die altbekannte Runde den hier vereinbarten Burgfrieden und setzt sich dorthin, wo Koller sich immer hinzusetzen pflegt.
So weit so gut, leider war’s dann das aber auch schon, weil der Mensch links von mir, der gerade auf seine zweite Stange wartend, die Zeitung faltend, diese mir dann mit der Bemerkung herüberschiebend raunt:
„Wo warst Du denn so lange? …erster Schlaganfall was, Alterchen he?“
„Nein, nein wo denkst Du hin“ antworte ich schmunzelnd, „Ich war in den Ferien, ich war in…“ aber weiter komme ich nicht, den der Mensch links von mir blafft mir in mein sonnenvergnügtes Gesicht: „Ferien das ist Scheissdreck“ und kommt dann richtig in Fahrt:
Ferien das gäbe es erst seit der Industrialisierung und in dem wir in die Ferien gingen, würden wir so dieses Prinzip der modernen Sklaverei akzeptieren. Man schicke den Büezer in die Ferien, damit er nicht vorzeitig schlapp mache, was unternehmerischer Schwachsinn wäre, da man ja in die Ausbildung dieser Arbeiter Geld investiert hat. Und man brauche mich ja nicht nur als Arbeitskraft sondern auch als Konsument.
Es sei nicht so, dass man mir wirklich vier Wochen frei verfügbare Lebenszeit im Jahr gönne, nein, man habe einfach festgestellt, dass ich mehr leisten würde, besser ticke, wenn man mich pausieren liesse. Etwa so wie eine Kuh mehr Milch gäbe, wenn man sie gut halte oder eine Sau schneller Fleisch und Fett ansetze…
Es gäbe kaum noch etwas in unserem Leben, welches uns nicht vorgeschrieben oder von dem wir uns nicht abhängig machen liessen. Die Freiheit sei als solches praktisch ausgerottet, respektive in ein Werbemittel umgewandelt worden. Die Zigarettenindustrie habe das vorgemacht, ob ich mich noch an diese lächerlichen Cowboys erinnern könne und wie uns diese als Buben imponiert haben?
Überhaupt könne ich ziemlich sicher sein, dass das was mir als Freiheit angeboten werde, mich direkt in eine Abhängigkeit führen und zum Konsumenten irgendeines Produktes degradiere.
Diesem Schicksal könne ich entfliehen wenn ich mich im Amazonas einer noch nicht entdeckten Ethnie anschliesse oder in den heiligen Krieg zöge, doch dieser sei ja auch nur ein Werbegag der Waffenindustrie. Eigentlich könne man diesem Alptraum nur entrinnen in dem man sich dem Ganzen verweigere, total, man sich also zu Tode hungere, sprich diese Welt verlassen würde…
Ich hab da eine Lücke und weiss nicht mehr wie ich raus aus dem Café und wieder zurück, rein ins Büro, auf meinen Stuhl und in mein ach so angenehm strukturiertes Leben gekommen bin.
Die Grünpflanze in der Ecke mit etwas temperiertem, verdünnten Mineralwasser giessend, mich beruhigend, an der Natur ein wenig Hoffnung schöpfend, habe ich mich dann doch einigermassen, immerhin mit nach aussen hin kultivierter Gelassenheit, meinem Arbeitstag und den anfallenden Obliegenheiten zuwendet.
Bitte um den ersten Kommentar.