Sehr merkwürdig ist mir aufgefallen wie es eigentlich mit dem Publico einer grossen Stadt beschaffen ist. Es lebt in einem beständigen Taumel von Erwerben und Verzehren, und das was wir Stimmung nennen, lässt sich weder hervorbringen noch mittheilen, alle Vergnügungen, selbst das Theater sollen nur zerstreuen und die grosse Neigung des lesenden Publicums zu Journalen und Romanen entsteht eben daher, weil jene immer und diese meist Zerstreuung in die Zerstreuung bringen.
Ich glaube sogar eine Art von Scheu gegen poetische Productionen, oder wenigstens in so fern sie poetisch sind, bemerkt zu haben, die mir aus eben diesen Ursachen ganz natürlich vorkommt. Die Poesie verlangt, ja sie gebietet Sammlung, sie isolirt den Menschen wider seinen Willen, sie drängt sich wiederholt auf und ist in der breiten Welt (um nicht zu sagen in der grossen) so unbequem wie eine treue Liebhaberinn.
Frankfurt am Main d. 9.Aug. 1797 G.
(Aus einer dreibändigen Reclam Ausgabe entnommen / Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805)
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