Köstlich wie in dieser Geschichte einer Ehe (von L.N. Tolstoi), der gehörnte Gatte faucht, beisst und kratzt, wie er den Mord an seiner ungetreuen Patnerin als logische Tat verteidigt, Schuldige sucht und findet.
Schuld an seinem Unglück sind u.a. ein Musiker als Verführer und die Musik an sich als eine teuflische Sache, genauer des Ludwig van Beethovens Keutzersonate.
Gut haben’s wir Liebenden heute, wo der Beweis einer Zuneigung sich nicht mehr in einem gesetzlich verbrieften Alleinanspruch auf den Leib der Lebenspartner/innen manifestiert.
Überhaupt sind Begriffe wie Sitte, Ehre, Demut und Treue in unseren postmodernen Gesellschaftstrukturen schon lange im Landesmuseum hinter Glas und Staub entsorgt, wo mässig interessierte Schüler sie beim Klassenausflug bestaunen mögen. Oder?
Leo N. Tolstoi „Die Kreutzersonate“ / zwei Schnipsel aus dem 23.Kapitel
…Und überhaupt die Musik – was für eine entsetzliche Sache! Was tut sie? Und warum tut sie eben das, was sie tut? Es heißt, die Musik erhebe die Seele – Unsinn, Lüge! Sie wirkt überaus stark, gewiß – ich spreche von mir – doch von einer seelischen Erhebung ist bei ihrer Wirkung nicht im geringsten die Rede; sie wirkt auf die Seele weder erhebend noch niederdrückend, sondern erregend.
Wie soll ich es Ihnen sagen? Die Musik zwingt mich, mich selbst und das, was meine Wirklichkeit ist, zu vergessen, sie versetzt mich in eine andere Wirklichkeit, die nicht die meine ist; ich habe unter dem Einflusse der Musik den Eindruck, daß ich etwas fühle, was ich im Grunde genommen gar nicht fühle, etwas begreife, was ich nicht begreife, etwas vermag, was ich nicht vermag…
…In China ist die Musik eine Staatsangelegenheit. Und das soll sie auch sein. Wie kann man zulassen, daß jeder beliebige Mensch seinen Nächsten – oder auch eine ganze Gesellschaft – hypnotisiert, um dann mit ihnen zu machen, was er will? Wie kann man vor allem zulassen, daß jeder beliebige unsittliche Mensch sich so als Hypnotiseur betätige?
Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi 9.9.1828 – 20.11.1910
„Die Kreutzersonate“ (1890 in Deutschland erschienen, da in Russland verboten.)
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