Einladung Klassentreffen: – Herausforderung abgelehnt.
Verdammt …ich dacht’s mir schon, eines Tages ist es soweit, und man versucht mich zu einem dieser bescheuerten Klassentreffen einzuladen.
Damals wollte man mich ins Gymnasium stecken, ich wollte aber in die Realschule, weil da all meine guten Kumpels hingegangen sind. So verschlug es mich dann in diese Oberstufen-Sekundarschule.
Als ich dort in der Klasse sass, sah ich, dass ich meine drei letzten Schuljahre mit den Söhnen und Töchtern von Mittelstandsspiessern verbringen würde.
In einer Vorstadt, wo der Bankdirektor gleichzeitig Stadtpräsident war, eingebettet in einem Heer farbloser Sesselfurzern (so auch mein Alter). Die Hausfrauen am Kochherd und Staubsauger, mit Pillenärschen, Unterleibskrebs und Medikamentenmissbrauch. Für die Männer war dann neu: Das Tempolimit auf den Autobahnen.
Wir waren überhaupt umzingelt von Autobahnen und Autobahnbaustellen. Düsenjets dröhnten über unsere Köpfe hinweg, dass man die Schulmappe hinschmeissen und sich mit beiden Händen die Ohren zuhalten musste, wenn einer dieser Jets über unseren Köpfen hinwegstartete, weil es sonst einem das Hirn aus dem Schädel riss. Wir wohnten in diesen billigen Betonwohnblöcken, es stank nach Kerosin und im Winter fiel der Schnee schwarz aus den Wolken. Alle waren sich einig, so gut ging es uns noch nie. Hochkonjunktur.
Da sass ich also mit diesem Hochkonjunkturgezücht in den Bänken. Wir schrieben Aufsätze vom Aussterben der Wale (IWC Walfangverbot) und lasen Christiane F. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Es war mein Startschuss in die Einsamkeit, weil mir schon damals das Kaputte an dieser Gesellschaft in ihrem vollen Ausmass bewusst war, und zwar genauso, wie ich das jetzt hier wieder niederschreibe.
Als Aussenseiter hielt ich mich dann an die zwei, drei Randfiguren, die es trotz allem gab. Zu meinen alten Kumpels in die Real rübergehn ging nicht, weil bei denen hattest du deinen Ruf verkackt, wenn du in die Sekundarschule gingst.
In meiner Klasse war immerhin ein Mädel, die hatte ein freches Maul und ne Wut (Flüchtlingskind aus Nicaragua). Mit der konnte man diskutieren. Der Rest von dem ganzen Haufen gab drei Jahre keinen wirklich ernstzunehmenden Ton von sich und hinterliess bei mir einen Eindruck von Fabrikseife. (80 % machte anschliessend das KV)
Es gab praktisch keine Alternative. Entweder Du schwammst im Strom oder Du warst erledigt. Die wenigen, die auch nur einen Funken von etwas Eigenem an oder in sich hatten, begegnete ich dann ende der 8ziger unten in der Stadt am Platzpitz (…)
Sowenig ich noch mit meinen Eltern (Mittelstandspiesser) Kontakt pflege, gibt es für mich auch keinen Grund diese sauren Erinnerungen aus diesen letzten drei Schuljahren vor bald 4zig Jahren an einem Klassentreffen wieder aufzufrischen. Es interessiert mich nicht, wer von Euch bunte Seifenblasen gemacht oder Abschaum (aus wessen Sicht auch immer) geworden, grosse Zahlen geschrieben oder ne Null geblieben ist. Friede der Asche all jener, die dieses schwachsinnige Karussell bereits wieder verlassen haben.
3 Kommentare
„Es stellt mehr meine Weigerung dar, alles schönzureden und zu verharmlosen“ (Pierrroz)
Lieber P.
Danke für Deine anteilnehmenden Worte (mail). Für meinen Teil möchte ich darauf hinweisen, dass ich in meinem Beitrag weder „die Guten noch die Schlechten Zeiten“ sondern meine persönlichen Erinnerungen in satirischer Art darstelle. Dass diese subjektiv sind brauche ich nicht noch speziell zu erwähnen.
Mit Deiner gelungenen Formulierung „Spass an dem Ulk seiner Mitmenschen“ habe ich mir, als ich diesen Spruch einem Flüchtling aus Syrien zur „Stimmungsauflockerung“ brachte, eine Ohrfeige eingehandelt. Ich werde Dir diese gerne bei einem wünschenswert bald erfolgenden philosophischen Austausch weiterreichen…
….dann wirst Du mir hoffentlich auch Deine „nicht so schnell voranschreitende Apokalypse“ und die Art wie Du Dich depressionsfrei mit derselben arrangieren möchtest, darlegen.
Herzlichst Pierroz
Lieber P. Stimmt schon so.. Aber die Römer und ihre Festungen haben und uns damals doch trotzdem (oder genau darum ?) fasziniert. Einen Ausweg gab es für jeden von uns doch nur wenige sind ihn gegangen. Was übrig bleibt sind die Verlebten und die Gebrannten. Haben sie ihre Zahlen gemacht ?
Danke für den Zuspruch Roger!
Ja die Römer: – jene für die Kinder, um das Kriegshandwerk spielerisch zu erproben, aber es gibt auch die Römer für uns Erwachsene. Ich meine die erhaltenen Schriften: „Die gallischen Kriege“ von Julius Caesar, Den Philosophen Seneca „Vom glücklichen Leben“(De Vita Beata) der unter Nero den Freitod wählte, Cicero „Gespräche in Tusculum“ und bedeutend natürlich Sueton mit seinen hervorragenden Biographien über die römischen Kaiser: allesamt eine sehr lehrreiche, wie auch faszinierende Lektüre, die Einblicke in eine so alte fremde und doch auch beinah der heutigen unheimlich ähnlichen (Un-)Kultur eröffnen. Job künden und nichts wie los, rein in die nächste Bibliothek !!!