Über den Sinn von Ortsbeschilderungen

Ich blättere im „Komplex“ (Nr.11-2018), so heisst das Propaganda-Magazin der Halter Ag, dem Bauunternehmer aus Zürich. In finanzadeligen Grautönen mit Glanz und Silberschrift vor eingeschwärztem Horizont eröffnet sich vor mir eine zugebenermassen fremde Welt.

Mit dem gebetsmühlenartig sich wiederholenden Mantra „nachhaltige Renditeliegenschaft“ wird mir nach einigen Seiten Lektüre klar, dass die profitable Umwandlung von Geld aus Pensionskassen und Anlagestiftungen in Zweckbauten der heilsversprechende Köderwurm am Angelhaken der Halter Ag ist.

Die mit Stolz im Magazin gezeigten Projekte sind für Schweizer Kleinbauernverhältnisse gross. Zum Beispiel der „Weisse Riese“, das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz (Mall of Switzerland in Ebikon). Und ich dachte, die Aera der Konsumtempel sei vorbei, aber egal; was interessiert das den Bauunternehmer?

Die Schwergewichtler unter den laufenden Projekten der Halter Ag sind Umwandlungen von Industriebrachen zu Mischnutzungszentren, zu in sich geschlossenen Arbeits – und Lebensanstaltswelten, so wie das Van Baerle-Areal in Münchenstein, Rhytech-Quartier in Neuhausen und mit 900 Millionen Investitionsvolumen das Attisholz-Areal in Riedholz bei Solothurn.

Mit Hipp, Hipp und Hurrarufen (Steuererträge, Aufträge, Arbeitsplätze) werden die Startschüsse dieser Projekte gefeiert, so auch von Regierungsrät*innen und ihren Suiten, das habe ich diesen Sommer an der Eröffnungsfeier vom Boulevard im Attisholz-Areal miterlebt. Also wird geklotzt was das Zeug hält. Das Geld, das lästige, das nichts mehr kostet und kaum mehr was einbringt, muss weg. Das gefällt dem Bauunternehmer.

Auf verpesteten Böden, direkt an Autobahnen und rund um die Uhr befahrenen Geleisen wird Gewerbe – und Wohnraum gebaut, und die gehen, zumindest in den Ballungszentren weg wie frische Wecken. Mobilsein und Urban-Style ist hip. Man wohnt ja nicht im eigentlichen Sinne. Der gemischt genutzte Mensch schuftet pendelnd seinen Arsch flach, derweil seine Gören in der Kita unter professioneller Aufsicht Bauklötze schichten.

Attisholz-Areal Kinderspielplatz

Ach ja, unsere lieben Kinderlein: Als Gesamtdienstleister lässt die Halter Ag auch Kinderspielplätze bauen. Oben (siehe Bild) das im Attisholz-Areal inmitten original industrieller Trümmerambiente das zukunftsweisende Zuchtgehege für die uns nachfolgende Generation von Mischnutzungs – und Arbeitsanstaltsmenschen.

Es ist also für alles vorgesorgt lieber Lukas Bühlmann (Direktor Schweizerische Vereinigung für Landesplanung VLP-ASPAN), sie können sich ihre Bedenken „die Bedürfnisse der Bevölkerung aus den Augen zu verlieren“ sparen, weil die lebt der gemischt genutzte Mensch vor allem in virtuellen Smartphone-Spielwelten oder in seiner trauten Autostube sitzend und nicht in seinem gekauft oder gemieteten Betongeviert mit Aquariumsichten auf benachbarte Wohnsilos.

Doch auch das kümmert einen Immobiliendienstleister wie die Halter AG wenig, er brilliert mit „zeitgemässer Optik“ und „vertikaler Verdichtung“. Die Halter AG ein Tunichtgut? Nö; ein cleverer, intelligenter und darum auch erfolgreicher Zuhälter im öffentlich rechtlichen Bau – und Immobilien-Bordell.

Das Halter Ag Packet kommt dank Digitalisierung (Building Information Modeling, BIM)) und 3D-Visualisierung um 40% günstiger und schneller ans Ziel, als die altbackene Konkurrenz; ein geiles Quickie, keine Frage. Die Halter Ag 2017: 200 Mitarbeiter*innen generieren 5-6 hundert Millionen Umsatz.

Das Tempo des Fortschritts und der Veränderungen sei atemberaubend, schreibt Balz Halter, Sprössling der Gründerdynastie und Verwaltungspräsident der seit nun 100 Jahre aktiven Baubude im Editorial vom Magazin „Komplex“. Mit diesen „Veränderungen“ müssen die neuen Werkzeuge der Finanzmafia wie „Transaktion – und Finanzierungsplattformen“ gemeint sein. Die sichtbaren Resultate in den schweizerischen Trümmerlandschaften schauen eher konservativ aus, es sind die seit den 70zigern in ihrem Habitus unverändert hässlichen Klotzbauten.

Es ist zu befürchten, dass aus diesen vertikal verdichteten Gesamtleistungsköpfen der Halter Ag gar nichts kunstvolleres entspringen kann. So schaut das Neue also trotz der vielbeschworenen „Identität schaffenden Archtitektur“ und dem Geschnorr von Wandel in etwa überall gleich aus. Doch für etwas sind ja Ortsschilder angebracht, falls sich jemand dafür interessieren sollte, wo er gerade ist.

Wer das fürchten lernen will lese: Komplex, das Magazin der Halter AG (online); auf 156 Seiten steht klipp und klar, was Sache ist.

Die ersten beiden gezeigten Bilder sind schiefe Ansichten von Oliver Stern’s Cover-Foto

3 Kommentare

  • Gut gebrüllt. Aber eben leider: Es gibt nur Probleme, keine Lösungen.

    • »Hol sie alle der Teufel! Sie krempelten alles um, änderten alles. Sie beschmierten es mit Blut, machten Geld und Scheisse daraus, wie aus allem. Du weisst es. Ich weiss es. Es ist, als wenn man einem Traum nachjagt.« Schlussszene aus „Nicht geselllschaftsfähig“/ „The Misfits“ von Arthur Miller (rororo 446, Mai 1961)

  • […] Mettler, CEO (Vorstandsvorsitzender) der Halter Ag im Interview nach dem Kauf vom Attisholz Areal bei Solothurn (grösste Industriebrache der […]

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