
Tibelya ist eine assyrische, in der Schweiz lebende Musikerin mit grossen Ambitionen. Von der Stilistik her lässt die junge Popmusikerin diverse zeitgenössische Genres wie RnB und Afro Pop in ihre Songs einfliessen. Kurz bevor Tibelya nun diesen Oktober ihre Debut – EP »Desert Eyes« veröffentlichte, haben wir mit ihr ein Mail-Interview gemacht.
DTK (Der tote Koller): Die erste Frage, die ich an die vielseitig talentierte Sängerin und Songschreiberin stellte war diese: stell dir vor du wärst jetzt bereits uralt, neunzig jahre oder älter, und du blickst auf dein leben, ich meine auf dein musikerinnenleben, auf dein musikschaffen zurück: auf was für erinnerungen würdest du dann gerne zurückgreifen wollen?
Tibelya: Sehr schöne und kreative Frage, hat mich auch sehr zum Nachdenken gebracht. Wenn ich mal 90+ bin, möchte ich mit einem grossen Lächeln auf meine Laufbahn zurückblicken können. Ich will sagen können: „Ja, ich habs versucht.“ Ich habe riskiert, bin meinen Herzenswegen gefolgt und hab nicht davor zurückgeschreckt, Neues auszuprobieren – egal wie verrückt es klang.
Was ich auf keinen Fall möchte, ist irgendwann zu bereuen, dass ich etwas NICHT gewagt habe. In der Komfortzone zu bleiben – das wäre für mich das Schlimmste. Ich spüre tief in mir, dass ich für die Musik hier bin. Und genau deshalb will ich am Ende wissen:
Ich hab meinem Leben einen Sinn gegeben. Ich hab meinen Beitrag geleistet. Einen kleinen Fussabdruck hinterlassen. Auf diesem Weg begegne ich so vielen wunderbaren, inspirierenden Menschen, von denen ich lernen darf – und genau das ist für mich der wahre Sinn des Lebens.
DTK: es gibt talentierte menschen, so wie du, die machen leidenschaftlich musik auf hohem niveau, so wie du, machen dies aber aus diversen gründen lieber in der amateurszene. was motiviert dich, mit deiner musik in die öffentliche wahrnehmung vorzudringen und somit dich und deine musik der vermarktung preiszugeben? – was fasziniert dich denn so am musikzirkus, respektive an der unterhaltungsindustrie?
Tibelya: Der Grund liegt darin, dass ich auf die grosse Bühne möchte. Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, ob ich mich einfach mit der Rolle einer typischen „Pub-Sängerin“ zufriedengeben möchte. Aber das erfüllt mich nicht. Ich träume davon, auf grossen Festivals zu spielen, das ultimative Ziel (Stage-technisch) ist das Coachella in den USA. Der Gedanke, dass Menschen im Publikum meine eigenen Songs mitsingen könnten, gibt mir unglaubliche Motivation.
Die Industrie hat einfach so viel zu bieten. Musik und Schauspiel haben mich schon als kleines Kind sehr inspiriert. Aus diesem Grund sehe ich mich in Zukunft eher in den USA als hier in Europa. Ausserdem wünsche ich mir, mit talentierten Künstlern zusammenzuarbeiten und gemeinsam Kunst zu erschaffen, die berührt.
DTK: gut! das nenne ich eine klare ansage. wer sind denn deine vorbilder, was die musik und die karriere angeht, und wessen anruf würde dir sicherlich eine schlaflose nacht bescheren?
Tibelya: Das ist ebenfalls eine gute Frage. Ich finde Billie Eilish sehr inspirierend – wie authentisch und bodenständig sie bleibt. Ich bewundere Russ – da er vom Produzieren, über das Songwriting und vieles Drum und Dran selbst (Independent) macht. J Cole, Jazeek, 6lack, Kehlani, Trettmann, Adele – in der Schweizerszene EAZ, Xen, Gigi und Noa Faith – das sind alles Künstler, welche ich persönlich und musikalisch sehr feiere.
Ich glaube, wenn mich Billie Eilish, J Cole oder Russ nach einem Feature fragen würden, würde ich ein paar Tage nicht schlafen. Wie du merkst, lasse ich mich gerne von verschiedenen Persönlichkeiten und Genres inspirieren. Horizontblick statt Tunnelblick.
DTK: über 100’000 neue songs würden täglich auf den gängigen portalen publiziert, las ich gerade – aber ich wollte dich eigentlich folgendes fragen: was denkst du kannst du tun, um das beinahe unwahrscheinlichste, wie zum beispiel ein anruf von Billie Eilish, in den bereich des wahrscheinlichen zu bringen?
Tibelya: Das ist eine krasse Zahl? Und es werden nicht wirklich weniger. Ich denke, das Keyword ist hier Consistency. Dranbleiben, an mich und meine Kunst glauben, mit den richtigen Leuten zusammenarbeiten und das Allerwichtigste – Spass daran haben. Solange ich das mit Freude mache, mache ich es mit meinem ganzen Herzen und die Chancen werden sich von alleine ergeben. Ich träume gerne gross, ob das ein Anruf von Billie Eilish ist oder ein Auftritt auf dem Coachella Festival, es kommt alles so wie es kommen muss?
DTK: was findest du braucht ein song, dass es ein guter song ist, und wie entstehen deine, und feilst du lange an ihnen rum?
Tibelya: Ich denke, ein Song braucht Emotionen – echte Emotionen. Ein Song kommt ganz anders rüber, wenn man ihn z.B. aus echten Erfahrungen singt. Ein Song ist wie eine Geschichte, die man erzählt, in dem man echte Gefühle verpackt. Deswegen bin ich auch Fan davon, selbst (oder mit Support) Songs zu schreiben. Ich bin gar kein Fan davon, wenn man fertige Songs kauft.
Ich selbst feile sehr lange an meinen Songs, da ich SEHR perfektionistisch bin. Ich möchte immer zu 100‘000% zufrieden sein, sonst möchte ich nichts veröffentlichen. Meine Texte entstehen meistens von selbst, sobald ich einen guten Beat höre. Ich versuche immer meine Emotionen reinzupacken – so, dass auch andere Menschen relaten können.
DTK: …und weiter gehts, diesmal bin ich ein bisschen frech: kannst du dir vorstellen auch einmal andere erlebnisse in deine songtexte zu packen, als nur deine sehnsüchte, träumereien und dein kummer in liebesdingen?
Tibelya: Haha na klar ? Daran arbeite ich sogar schon. Die 3 Lieder habe ich vor 2 Jahren geschrieben, als es mir nicht so gut ging. So konnte ich meine meist negativen Gefühle in die Songs packen. Mir geht es mittlerweile viel besser, ich schreibe neue Songs, inspirierende und (wer hätte es gedacht) positive Lyrics. Ich möchte unbedingt ein Lied schreiben über meine Heimat, mein Volk (Assyrer), meine Wurzeln, da wir eine sehr alte Geschichte haben und ich dies meinen Leuten widmen möchte.
DTK: in einer früheren mail hast du mir erzählt, dass du mit einem produzenten zusammenarbeitest. erzähle doch ein wenig von dieser zusammenarbeit; gibt es da auch differenzen, und wenn ja welche, oder ist dein produzent einfach dein dienstleister, dem du sagst, wie du es haben willst und er führt dann das nach bestem wissen aus?
Tibelya: Natürlich gibt es oft Differenzen bzgl. der Vorstellungen, da wir alle 3 einen verschiedenen Geschmack haben. Trotzdem versuchen wir uns immer in der Mitte zu treffen. Oft bin ich aber aber die sturste und muss mich durchsetzen. 😀
Mir ist es aber wichtig, dass wir alle unsere Inputs einbringen, da ich oft diesen Weitblick suche und keinen Tunnelblick haben möchte im Studio.
DTK: hast du musikalische visionen; klänge, melodien und rhythmen, die du in dir spürst, und die du realisieren möchtest?
Tibelya: Da ich privat auch viel Techno und Rap höre, möchte ich mich eventuell in Zukunft mal in diesen Genres ausprobieren.
DTK: arbeitest du an deiner stimme, klanglich und stilistisch, oder singst du einfach so?
Tibelya: Natürlich trainiere ich ständig meine Stimme. Ich nehme Gesangsstunden und probiere immer etwas Neues. Riffs und Runs sind für mich ganz interessant im Unterricht. Meistens aber lasse ich meinen Emotionen freien Lauf beim Singen ohne mich zu sehr darauf zu konzentrieren. Dann klappt es eben meistens genau so, wie man es sich vorgestellt hat.
DTK: wie hast du es eigentlich mit den sozialen medien, mit der netzwerkerei? gemäss popkarriere-handbuch müsstest du die ja alle fleissig bedienen, pausenlos mit news und reals beschicken, eine fanbase aufbauen e cetera. und was hat dieser einsame job vor dem rechner deiner meinung nach noch mit singen und musik und mit spass zu tun?
Tibelya: Ich bin aktiv auf Insta, Tiktok und manchmal auch Facebook aber ich finde das ehrlichgesagt eher anstrengend. Ich war zum Beispiel letzte Woche auf dem Drake Konzert & habe ein Video davon gepostet. Es erhielt (bis jetzt) 320‘000 Aufrufe (und es steigt jede Minute!) Meine eigenen Videos erhalten knapp 1000. Und das ist ein gutes Beispiel des Algorithmus – nicht immer fair.
Es ist hart, da man sich Mühe gibt für gute Videos & zum Teil nicht annähernd die Reichweite erzielt, die man sich wünscht. Manchmal macht es Spass, in solchen Momenten eher weniger.
Aber leider gehört es in der heutigen Zeit dazu. Es reicht leider nicht mehr, ‚einfach‘ Musik zu publizieren, man muss diese auf den sozialen Medien am besten täglich promoten. Das ist einfach ein fester Bestandteil des Prozesses geworden.
DTK: da gibst du mir just das passende stichwort: wirst du zu einem der songs deiner für diesen oktober angekündgten ep ein video publizieren?
Tibelya: Ein Musikvideo ist noch nicht spezifisch in Planung. Ich werde jedoch eine Menge Kurzvideos drehen – für die Promo 🙂 Da dies viel Zeit in Anspruch nimmt, wird es wahrscheinlich doch Oktober werden.
DTK: am anfang unseres interviews hast du angedeutet, dass du deine zukunft eher in den usa als hier in europa siehst. wann bist du bereit für den sprung über den grossen teich?
Tibelya: Ich denke, sobald ich ein stabiles Portfolio habe und mein Herz mir sagt, dass es der richtige Zeitpunkt ist. Natürlich braucht man auch die richtigen Connections, das ist (leider) sehr wichtig heutzutage.
D.T.Koller: schlussfrage: gäbe man dir ein mikrofon mit der bemerkung in die hand, dass du, wenn du jetzt sprichst, von allen menschen auf der welt gehört wirst, was würdest du ihnen mitteilen wollen?
Tibelya: Ui das ist aber eine schwierige Frage. Ich würde wahrscheinlich etwas sagen wie, dass Hass nicht mit Hass bekämpft werden kann, sondern nur mit Liebe. Liebe ist für mich die Lösung für alles, würden alle Menschen mehr lieben, wäre die Welt ein friedlicher Ort.
Service Public: Tibelya Webseite / Tibelya bei Instagram, bei Tiktok, bei Spotify // Die in diesem Blogbeitrag verwendete Fotografie ist uns von Tibelya zur Verwendung in diesem Blogbeitrag kostenfrei zur Verfügung gestellt worden
Bitte um den ersten Kommentar.