Schwerfällig zu keiner Tiefe sich hochraffend

Gerhard Meier Skulptur von Kari Stettler Bannwil © Vitaltransformer

Ein paar Anmerkungen zur Ausstellung „100 Jahre Gerhard Meier – der Weltenbürger aus Amrain“ im Kulturzentrum Räberstöckli in Niederbipp.

„Das Land gibt sich heute, wie Leute sich geben können: schwerfällig zu keiner Tiefe sich hochraffend, zu keiner Weite sich hinreissen lassend“ (Zitat Gerhard Meier, in „Der schnurgerade Kanal“)

Gerhard Meier, so dünkt mich manchmal, ist immer noch ein grosser Unbekannter. Viele meiner nicht unbedingt unbelesenen Kollegen sagt der Name nichts und wenn ich einen Begriff wie „Amrainer Tetralogie“ nenne, hilft das auch nichts.

In Niederbipp, diesem Dorf zwischen Olten und Solothurn am Jurasüdfuss, welches der Literat und Lyriker als „Amrain“ in seinen Werken verewigt hat, wird nun der hundertste Geburtstag des 2008 verstorbenen Schriftstellers mit einer ausgesprochen reichhaltigen und stimmungsvollen Ausstellung im dortigen Kulturzentrum Räberstöckli gewürdigt.

Franz Hohler hielt die Eröffnungsrede, in der er in persönlichen Erinnerungen von Begegnungen und Gesprächen mit seinem Freund schwelgte, Auszüge aus dessen Büchern und seinen Eigenen rezitierte, rundherum die Harmonik und die meditativ natural-sinnliche Charaktere Gerhard Meiers Schreibe gut einfing.

Was mir persönlich in Hohlers Vortrag wie auch in der Ausstellung fehlt, ist die gesellschaftskritische und politische Dimension von Gerhard Meiers Werk. Seine Literatur ist auch Ausdruck einer engagierten Politik, Zeit – und Kulturkritik; – teils subtil, teils auch sehr konkret eindringlich konfrontierend formuliert.

Beispielzitat 1: „…zeigte noch den Querschnitt des abgerissenen Wohngebäudes einer landwirtschaftlichen Liegenschaft, an deren Stelle sich jetzt dreistöckige Wohnblöcke befanden, quasi Batterien, Menschenbatterien – nach Konrad Lorenz – den nützlichen Menschen züchte und halte.“

Beispielzitat 2: „Aber auch einen Film aus dem Kampfgebiet in Kurdistan hätte ich gesehen, sagte ich, wo die Iraker eigene Landsleute verfolgt und mit Senfgas massakriert hätten.“

(Beide Zitate Gerhard Meier: „Im Land der Winde“)

Gerade von Franz Hohler hätte ich diesbezüglich mehr erwartet. Es ärgert mich persönlich, dass man das Werk eines Kunstschaffenden, den man einerseits Weltenbürger nennt, in einen derart banal provinziell biederen Rahmen giesst. Die tiefgründig starken Aspekte der Persönlichkeit und seines Werkes werden einer Zensur gleich, mit Geschichtchen über Schmetterlinge und Rabatten Blumen übertüncht. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Hohler trotz Altersmilde sich zu kritischen und wachen Betrachtungen sich hätte hinreissen lassen.

Ich sehe den Sinn dieser Kaschierung nicht und stelle die Frage, ob man den Besuchern nicht doch mehr als nur zelebrierte Dorfromantik zutrauen und ihnen ein paar Denkanstösse auf den Heimweg mitgeben dürfte?

Link: Schriftsteller Gerhard Meier & Pedro Meier Artist Fb-Seite

4 Kommentare

  • Sollte man da nicht eher den Hohler fragen anstatt sich selbst? Aber immerhin, die Frage an sich über Plüsch & Mümpfeli dieses Fernsehvolkwanderers wäre vielleicht auch für den Hohler etwas Erfüllendes.

    • Da hast Du recht Jack, den Hohler müsste man fragen. Laut Pedro Meier (Sohn des Schriftstellers) müsste man Hohler noch einiges fragen. Er habe in seiner Rede nicht nur ständig von sich selbst erzählt, sondern auch frei erfundenen Quatsch von sich gegeben. Laut Hohler habe der Mani Matter den Gerhard persönlich kennenlernen wollen, ein Termin sei vereinbart gewesen, dies sei dann wegen Matter’s Unfalltod nicht mehr zustande gekommen. Laut Pedro hätten sich die beiden aber sehr wohl gekannt, Matter habe den Gerhard auch damals in die Gruppe Olten eingeführt.(…)

  • was gerhard meier und seine schreibe brisant mache, sei sein „beharren auf gegenwelt“ stellte heinz f. schafroth beim erscheinen von „land der winde“ fest. der weltenbürger aus amrain war ein hellwacher zeitgenosse mit einem kritischen geist und einem unbändigen sinn für freiheit. jegliche ideologiegläubigkeit war ihm suspekt.er wandte sich gegen einen überbordenden konsumismus, in dem er einen ersatz für sinnerfüllung diagnositizierte. im roman borodino wird in der gegenwärtigen gesellschaft ein „vakuum an spiritualität konstatiert, das uns sozusagen an den rand eines kosmischen abgunds saugt.“ gerhard meier spricht sich für den „müden“ menschen aus, der sich seiner grenzen bewusst ist und gegen die macher, die die schöpfung zerstören. der moderne machbarkeitswahn sei „idiotisch“ sagte er im gespräch mit seinem freund werner morlang (s. „amrainer gespräche“ und „ich mag das haschen nach wind“). – schade, dass die kritische Botschaft des Schriftstellers bei den würdigungen zu seinem 100. geburtstag zu kurz kam. gerhard meier hat mehr zu bieten als seine nachlassverwalter verkünden!

  • GERHARD MEIER – Franz Hohler – 100 Jahre Amrain – Räberstöckli Niederbipp – Pedro Meier
    Der Link zum Videodokument:
    https://youtu.be/Bvgk68hiMCc?list=PLNq76kKCozhfh_QcMtqVJjJVy5O9vfKgV

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