Der Himmel über Utopia ist zur Zeit eher wolkenverhangen. Die zeitgenössische Literatur beschäftigt sich gegenwärtig eher mit Dystopien als mit Utopien. Doch für Lyriker Pedro Meier ist die Gegenwart nur ein Splitter eines viel umfangreicheren Mosaiks.
Pedro Meier bewegt sich in seinem Gedicht & Bildband »Der Himmel über UTOPIA« vor allem im Genre dieser jenseits des täglichen Lärmens beheimateten Befindlichkeiten. Der Fundus dieses Genres ist immer in etwa derselbe, evoziert aber trotzdem immer wieder neuartige Bilder im Spiegel der sich verändernden Gegenwart; vollständig aus der Zeit herauslösen, lässt sich Kunst dann eben doch nicht.
Wer sich auf Zeitlosigkeit beruft, dem haftet immer auch ein wenig der Makel des Weltfremden und rein Schöngeistigen an. Man könnte diesen Autoren eine Gegenwartsflucht- oder Verweigerung attestieren. Vor politischen oder kulturellen Auseinandersetzungen wird man in Pedro Meiers Lyrik auf jeden Fall verschont; man kann es auch so sehen.
Es gibt wohl genug gute Gründe, sich als Lyriker in unangreifbare utopische Gefilde zu verabschieden. Dort, um noch etwas bösartiger zu werden, bedienen sie dann vor allem ein älteres Publikum, das an ihrem Lebensfeierabend sich darin übt, mit sich und der Welt Frieden zu schliessen, falls da überhaupt einmal Unfrieden war. Vielleicht war da auch einfach nichts, doch tröstlich, auch dann passt Lyrik.
Ob es nun die Fülle des Daseins oder die Bedrohung durch das Nichts war, was Autor Pedro Meier dazu drängte seinen Erlebnissen mittels Gedichten Ausdruck zu verleihen, wissen wir nicht, das weiss nur er. Klar aber ist, dass dies ein anderer Pedro Meier ist als der, der übermalte Kriegsbilder aus der Ukraine im Kunsthaus Olten gezeigt hat. Genau: Pedro Meier malt auch, schafft Skulpturen, Objekte, Installationen, macht Performances. Multimedia Artist nennt sich das – und noch immer sei er unterwegs auf der Suche nach dem utopischen Gesamtkunstwerk.
Wegweisend und schlau hat Pedro Meier das Gedicht »Von der Nützlichkeit der Gedichte« am Schluss seines Buchs »Der Himmel über UTOPIA« beigefügt, es ist übrigens sein Zweites nach seinem Debut »Das Gewicht des Schattens im Sonnenschein«. Dieses Gedicht über die Nützlichkeit der Gedichte hätte auch am Anfang stehen können, stösst es doch mit einem gewinnenden Lächeln die Türe zu diversen Situationen auf, in welchen Lyrik einem im Leben als nützlicher Freund und Helfer, quasi als Hausapotheke, zur Seite stehen kann.
Die Bewegungen Pedro Meiers im Vorparadies sind durchwegs moderat: Es wird spaziert und gewandert, die Landschaften sind gerne ein wenig vergilbt, Kindheit wird erinnert, im Schrebergarten mit Katzen diskutiert, Wolken, die je nachdem gezählt werden, treiben über dem Himmel von Utopia. Es gibt aber auch nennenswerte Ausschläge, zum Beispiel wenn ein Zitteraal auf dem Fensterbrett liegt, oder wenn nach Kulturprogrammentschädigungsverhandlungen verlangt wird, oder die Grundrechte eines Rennautos definiert werden, oder ein Mandelbaum zur Tür hereinkommt.
Persönlich sprechen mich die Gedichte an, in denen Pedro Meier diese oben genannten Ausschläge einbringt, man könnte sie auch Brüche nennen. Und dann auch diese Zeilen, die aus dem sogenannt vernunftbezogenen Rahmen fallen, wie: „Leben hinter dem Leben“, „Forellen streicheln“, oder „Ich bin ein Flüchtigkeitsfehler“. Dann sind da ab und an auch Dinge in Pedro Meiers Lyrik beseelt: „Und die Sahara träumt…“, da pflegt er gewissermassen die animistische Geisterkultur der Steinzeit. Andererseits stellt er dann Dinge wieder im härtesten Realismus in den Raum, als reines, aufs Papier geworfene Wortgut.
Trotz aller Zweifel und Einwände: Pedro Meiers Lyrik hat Qualität, hat Stil, hat Substanz, und hat für den tiefer sinnierenden Menschen auch Relevanz.
Meine zwei Hits oder Lieblingswendungen findet man übrigens im Kapitel 4 »Chronik des Augenblicks« im Gedicht »Jeden Tag von Neuem« mit: „Die Erinnerung ist ein Kraftakt für Wiederkäuer“, und im Kapitel 5 »Latente Sichtbarkeiten«, im Gedicht »Wanderungen am Ende des Tages«, das folgendermassen endet: „& über dem Horizont würgt der Wind den Tag in die Nacht“.
Jedem der 50 Gedichte ist ein Polaroid gegenübergestellt, es sind Bilder von diversen Amerika- Trips, vor allem Eindrücke aus New York. Polaroid-Fotos haben Charme. Die Farbspektren sind meistens ein wenig verszerrt, sie haben eben diese für Polaroids typischen Farbstiche, die jene romantischen Gefühle erzeugen, die wir mittlerweile mittels in Apps angebotenen Filtern nachzuahmen pflegen. Im Mix mit den Gedichten wirken diese Bilder wie flüchtige Sichten aus dem Fenster einer U-Bahn. Dinge, die an einem vorüberziehen; ein Wink Richtung der harten und in der Tat zeitlosen Wahrheit der Vergänglichkeit von allem, und vor allem von einem selbst.
Text: Pierroz // Fotografie: Vitaltransformer
Service Public: Autor, Lyriker & Multimedia Artist Pedro Meier Webseite // Pedro Meier Wikipedia // Pedro Meier bei Wer liest wo // Pedro Meier Caracol Verlag // Pedro Meier bei Vitaltransformer
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