Da läuft man zur Bude raus und trifft auf Menschen. So geschehen letzthin an den Chaostagen im Message Salon in der Roten Fabrik. Dieser grosse Typ, kam mir irgendwie bekannt vor, von früher, aber unklar wo und wann, wie vieles andere auch.
Wir kommen ins Gespräch, sind aufrichtig und direkt gleich vom ersten Wort an, teilen uns den privaten Niedergang, versuchen uns schon fast mit der Tragik unsrer durchlebten Sinneskrisen zu überbieten. Wir kommen uns näher, finden uns gegenseitig sympathisch und interessant.
Nach dem Gespräch trage ich eine Cd nach Hause, Titel: „Aentli“, 2014, acht Lieder von Paul Weixler.
Auf dieser Cd als Nr.1: „…Zürich brennt* …bis allen ein Licht aufgeht….“
*Der Tipp für zu spät geborene: Das Lied „Züri brennt“ war der Schlachtruf der Zürcher 80zger Jahre Jugendbewegung, Soundtrack zum gleichnamigen Kultfilm und wurde damals in einer Urversion von der Punkband TNT gespielt.
Jaja! denk‘ ich, „bis allen ein Licht aufgeht“….nur, wem hätte dann, was für ein Licht aufgehn sollen? Vielleicht wär’s gescheiter gewesen, man hätte ein paar Lichter ausgeknipst damals. ….hat man?
…also nur dass man mich richtig versteht, nicht dem Paul und mir das Licht abdrehen, unsereiner hat die Sicherungen ja so schon locker genug.
So bleibt die Anfangsfrage unbeantwortet: Wo und wann kann ein Eindunkeln heilsam sein?
„….die einen hätten zu wenig, die anderen zuviel“, gut, ohne Geld bist und bleibst du draussen, das haben wir, glaub‘ ich, unterdessen alle gefressen und es gab und gibt hier ja auch nur dieses Eine Spiel: „…da weisst du, dass du gestorben bist, bevor du unter dem Boden bist.“ Ja, stimmt, Volltreffer, leider!
Ob tot oder lebendig, wir singen (die noch zum singen Lust haben) auch nach dreissig Jahren Verdruss immer noch Lieder, ausser die von der Firma Jugend und Protestbewegung, die sind hierzulande scheinbar im Tran abgesoffen oder bibbern irgendwo in’ner pissigen Ecke unserer Angstkultur. Auch der schwarzer Block ist Teil der heimischen Folklore geworden… „schaut mal da die jungen Leute, in ihren niedlichen dunklen Trachten“.
Und doch, gibt es noch immer ein paar letzte Mohikaner die kommen nicht zur Ruhe, so auch der Paul Weixler nicht.
Paul Weixler ist nicht in diesem Brandherd der achziger Jahre stecken geblieben, er lebte weiter, überlebte auch den Frust, seinen eigenen und den, dass sich in der Welt nur wenig verändern will. Er verarbeitet seine Erlebnisse und Erkenntnisse in seinen Liedern, das sind gereifte Texte, die einem Nahe gehen, die nach dem Humanen, nach unserer Mitmenschlichkeit fragen, die nicht aufhören nach unserer Ausrichtung zu forschen, um was es den in so einem Menschenleben gehen soll, innerhalb einer Gesellschaft, oder als was man auch immer diese Raubaffenbande anschaut.
Werfen wir noch einen Blick in den digitalen Topf, um zu sehen, wo die den Paul hintun. 2014. Das Schweizer Fernsehen präsentiert ihn als durchgeknallten, aber interessanten Patienten.
Viktor Bänziger vom El Lokal habe ihm Cd-Aufnahmen ermöglicht, der Journalist Alfred Preisig habe ein Buch mit ihm machen wollen…
In der realen Welt: da gibts ihn den Paul, so wie er leibt und lebt und seine in Heimarbeit kolorierte Cd „Aentli“ mit der nun „amtlichen“ Version vom Song „Züri brennt“ darauf, die Cd, welche ich von ihm gekriegt habe.
Real in der Welt ist auch meine aufrichtige Vorfreude ihn wieder mal anzutreffen, um im angeregten Gespräch aussichstlose Einsichten auszutauschen, von Patient zu Patient sozusagen.
Die Cd „Aentli“ könnt ihr kriegen wenn ihr den Paul seht und ihn fragt, ich denke er hat meistens eine dabei. 1. Züri brännt 2. Chline Äengel 3. Bänkli 4. Karussell 5. Friide
6. Schpatzeträum 7. Sündefall 8. Vollmond
oder:
Paul Weixler / Freiwild / 2003 / Boy 49: Dies ist die zuletzt erschienene offizielle Cd von Paul, erhältlich im Rec Rec Online Shop oder im Laden in Zürich
4 Kommentare
also ich wünsche euch etwas Entspannung.
Das ist schon anthropologisch richtig, von Raubaffenbande zu reden, der Mensch ist nun mal bloss ein Primat mit mehr Verstand.
Was falsch ist, verzweifelt mehr vom Menschen zu verlangen als er sein kann. Er ist einfach nicht so GUT, wie dieser Rousseau und wie alle Sozialromantiker immer meinen. Dieses romantische Sehnen führt logischerweise zur Aussichtslosigkeit, bei Pierroz wie bei Paul Weixler (oder zum Steineschmeissen, wenn noch überschüssige Vitalität vorhanden ist).
Vergesst doch mal die „Gesellschaft“, die gibts sowieso nicht, und freut euch des Tages. Und fragt nicht immer nach dem Verbleib der Mitmenschlichkeit, das ist erstens etwas selbstgerecht und macht zweitens unglücklich. Immerhin sind wir hier noch nicht soweit, dass wir uns die Köpfe abschneiden und daraus einen Aschenbecher machen, ist doch was, oder?
Bonjour mes amis
C’est superieure, Merlot. Die Doppeldeutigkeit vom aentli greift. Sozio-Kultur ins Netz und Sprechen um der Sprache willen. Gesellschaftsbilder verblassen im digitalen Eins, Eins, Eins oder ich, ich, ich – bin eine Null.
UUUPS…da höre ich grad, die Cd von Paul „Freiwild“ sei vergriffen, NICHTS DESTO TROTZ, na dann bestellt mal wild drauflos, dann gibt’s ne frische Edition….das wär doch tatsächlich gescheiter, als wenn wir diese stinkigen totenschädel-aschenbecher zu importieren begännen, solange wir die NOCH NICHT selber machen….
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