Besuch bei Kunstmaler Martin Reukauf in seinem neuen Atelier. Früher einmal Giesserei, jetzt Zwischennutzung, volle Fensterfront Richtung Südwest. Davor eine Baumreihe, die den Atelierraum im Sommer vor brennender Sonne schützen wird. Gute Raumgrösse, taugt auch als Ausstellungsraum, Reukauf hat schon zweimal Leute eingeladen, Bilder verkauft.
Zur Zeit ist der Raum wieder Atelier, Werkstatt und Bilderdepot. Reukauf malt ja nicht hier, er malt draussen im Wald. An der einen langen Wand hängen einige Bilder, rechts aufgereiht in Regalen und am Boden liegen ganze Stapel mit aktuellen Arbeiten. Die am Boden sind die neuesten, gestern draussen im Wald gemalten.
Mit seinen gestern geschaffenen Arbeiten auf Papier ist er nicht zufrieden, er kritisiert dies und das, sucht einen Weg, um voranzukommen. Hier im Atelier kann er Auslegeordnung machen, draussen im Wald ist dann sinnieren und spintisieren kein Thema.
Draussen im Wald wird aus dem Moment heraus geschaffen. Wenn die Staffelei steht, die Farben parat sind, gehe dann alles sehr schnell. Schnelle, intuitive, emotionale Interventionen mit Pinsel und Farbe auf Leinwand. Reukauf ist Handwerker.
Martin Reukauf steht nicht draussen im Wald, um explizit Wald zu malen, sondern um Realität, um sein Wirklichkeitserlebnis auf Leinwand zu bannen. Der Wald bietet ihm für dieses Unterfangen eine besonders geeignete Umgebung.
Am liebsten ist ihm die Winterzeit, die Jahreszeit mit nur wenig grün. Das Frühlingsgrün findet Reukauf schrecklich. Ich frage ihn, was er denn im Frühling mache. Er verdrücke sich ins dunkle Unterholz eines Fichtenjungschlags.
Reukauf radelt nun schon viele Jahre hinaus in den Wald. Übt dort das Einfangen von Wirklichkeit. Die Herangehensweise ist immer die gleiche, seine Befindlichkeit aber, dort draussen im Wald und auch die Art diese mit Pinsel und Farbe auf die Leinwand zu bringen, verändert sich fortlaufend.
So ist Reukauf’s Wirklichkeit vorzu eine Neue. Dazu kommt das Wissen um das bereits Gelebte. Dazu gehört auch das bereits Gemalte. Die Ölfarben werden teils stark verdünnt. Vielschichtigkeit soll her, Strukturen, dazu werden auch Bürsten verwendet. Seine Farbpalette ist eine, die Farbtöne erahnen lässt, die effektiv gar nicht darin enthalten sind. Weiss brauche er unterdessen kaum noch.
Mit seinen fertigen noch nassen Werken radelt Martin Reukauf zurück in sein Atelier. Die bei der Rückfahrt entstandenen Farbläufe wischt er weg, dort wo sie ihm sein Bild zu stark prägen. Im Atelier wird dann Werkschau gehalten, wird verglichen und geprüft, ob er sich der selbst gestellten Forderung: »Mit wenig Aufwand hohe Komplexität erreichen«, hat annähern können.
Die Werke haben Titel, Wald steht da simpel, und eine Zahl. Die bei meinem Besuch aktuelle 759 wird unterdessen überschritten sein. Schier unglaublich, hat er wirklich bei 1 begonnen?
Mich sprechen Martin Reukauf’s Bilder an. Auch sein Motiv, im Wald Realität zu malen, finde ich überzeugend. Sagt man ja auch so: Realität schaffen. Realität oder Wirklichkeit entsteht immer in Beziehung zu etwas, auch in Beziehung zu sich selbst, das Selbst in der Welt, usw. Ich selber bin oft und gerne in Wäldern, weiss, dass der Wald ein patenter Ort für Selbstbegegnungen ist.
Mich beeindruckt seine Geduld, Konsequenz und sein Elan, mit dem er sein Ding durchzieht. Er ist für mich einer, der sich auf die Suche nach einer eigenen Ausdruckssprache für Daseinserfahrung, für die Substanz des Augenblicks gemacht hat. Erstaunlich ja, was alles auf einen Augenblick Wirklichkeit zusammenfällt und erlebbar wird, wenn man sich darauf einlässt. Ich bin gespannt, in was für Seins-Landschaften uns Martin Reukauf mit seinen Waldbildern noch führen wird.
Service Public: Martin Reukauf Webseite // Martin Reukauf bei Instagram
Text: Pierroz // Beitragsbilder – Fotos im Atelier: Vitaltransformer // Fotos draussen im Wald: Martin Reukauf
4 Kommentare
klasse: sehr schönes & informatives Porträt zu Öl, Leinwand, Atelier & Wald : im Kontext MALEN : M
Danke für die Blumen liebe Birgit – eine Herzlichen Gruss an M & atter
Was wäre wenn der Maler in den verschatteten Wald mit einer schwarzen Leinwand angekommen wäre ? Das ist die Frage nach Wirklichkeit in der Malerei!
Gute Idee mit der schwarzen Leinwand lieber Günter. Ähnliches ging mir durch den Kopf, z.bsp. in der Nacht in den Wald raus malen gehen, wirklich zappenduster ist’s ja eher selten. Vielleicht hat Martin Reukauf, dies und auch das mit der schwarzen Leinwand oder schwarzem Papier bereits durchgepielt – wir wissen es nicht, da gäbe es noch allerhand zu fragen….