Kohei Saito – Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus

Kohei Saito – Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus: Wer sein Buch gelesen hat, kennt die Lösung auf all unsere Probleme, oder immerhin die, um die sich anbahnende Klimakatastrophe abzuwenden. Dass nun aber die Natur über den Kapitalismus siegen würde, wie es im Untertitel heisst, ist dann aber doch eher eine falsche Fährte, denn es ist eben doch der Mensch, der sein Verhalten ändern müsste. Saito propagiert den Systemsturz und hinterher die Weltrettung mittels seines von ihm entworfenen Degrowth-Kommunismus.

»Der Kapitalismus hat sich über die gesamte Erde ausgebreitet, doch das Resultat davon ist die Zerstörung des natürlichen Lebensraums des Menschen und somit des menschlichen Lebens selbst.«

Professor für Philosophie Kohei Saito aus Tokio ist stolzer Marxforscher und tischt uns aus unveröffentlichtem Material einen modernen zeitgenössischen Marx auf, der bis in unsere Zeit schon alles vorausgesehen und auch die richtigen Schlüsse gezogen habe.

»Kurzum, der Kommunismus, der Marx in seinen letzten Jahren anstrebte, war eine egalitäre und nachhaltige Degrowth-Wirtschaft.«

Zu Beginn malt Kohei Saito, wie eigentlich alle Autoren seines Genres, ein vernichtendes Bild der Gegenwart und zeigt auch auf, weshalb es mit dem Kapitalismus gar nicht anders als denn Bach runter gehen konnte.

»Die Externalisierungsgesellschaft oder, besser gesagt, wir in den Industrienationen, haben dem globalen Süden Umweltbelastungen aufgebürdet, vor dieser Ungerechtigkeit unsere Augen verschlossen und unseren kapitalistischen Traum weitergelebt, ohne auch nur zu versuchen zu verstehen, was denn auf unserem Planeten vor sich geht.«

Laut Kohei Saito haben wir uns einen imperialen Lebensstil angeeignet, indem wir die Produktion unserer Konsumgüter in die Peripherie, den globalen Süden ausgelagert haben. Diese Auslagerei sei aber mittlerweile an ihre Grenzen gestossen, die Profitraten sackten ab, weil Drittweltstaaten teils einen Aufschwung erlebt haben und nun ihrerseits ihre Produktion auslagerten, was zum Teil einen Umkehreffekt auslöse und dazu führe, dass die Ausbeutung der Arbeiter in den nördlichen Industrienationen wieder stark zunehme.

»Das Tragische hierbei ist ja, dass der globale Süden von der Produktion und dem Konsum der imperialen Lebensweise abhängig und dadurch, der Struktur des Kapitalismus sei dank, auch auf dessen Normalbetrieb angewiesen ist.«

Die oben zitierte Tragik, erlaube ich mir zu bemerken, gilt nicht nur für den globalen Süden, die gilt auch für alle Freaks jeglichen Couleurs, die hier in den Industrieländern finanziell unter dem Radar fliegen.

Regionaler Einschub: Der Kapitalismus müsse sterben, »damit wir leben können«, sagte die Obwaldnerin in ihrer Bewerbungsrede. Sie werde mit der Juso für einen intersektionalen Sozialismus kämpfen, »weil das die einzige Antwort auf die Krisen unserer Zeit darstellt«. (Mirjam Hostetmann, 24, neue Präsidentin der Juso Schweiz – Zitatquelle: SRF-News 2024)

So geht es also nicht weiter, und die Modelle, die andere propagieren, wie zum Beispiel Yoshino Hiroi und Keishi Saeki, die den Vorschlag machen, mittels sozialdemokratisch und sozialstaatlichen Massnahmen den neoliberalen Marktfundamentalismus zu zähmen, überzeugen Kohei Saito nicht.

Auch die Pläne des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph E. Stiglitz, der unter der Flagge eines progressiven Kapitalismus mittels Lohnerhöhungen für Arbeiter, stärkere Besteuerung der Superreichen und der Grosskonzerne, sowie rigorose Verbote von Monopolen, die mittels demokratischer Wahlen und darauffolgenden Gesetzesänderungen und politischen Massnahmen erreicht werden könnten, ein Zaubertrank also, durch den das Wirtschaftswachstum sich erholen würde und jedermanns Aufstieg in eine wohlhabende Mittelschicht eröffne – die gute alte Heilsversprechung also -, kommt bei Saito nicht gut an und bei Slavoi Zizek übrigens auch nicht.

Akzelerationismus und Ökomodernismus: »Die Umweltkrise sei mittlerweile schon so akut, dass es sowieso kein Zurück gebe. Deshalb gelte es ab jetzt, noch mehr in die Natur einzugreifen, um den Fortbestand der Menschheit sicherzustellen.« Kohei Saito verweist auch auf Denkweisen anderer. Hier sind es die des französischen Philosophen Bruno Latour und des englischen Journalisten Aaron Bastani, die einen vollautomatisierter Luxuskommunismus anstreben.

Nun aber: Wie kommen wir raus aus dem Kapitalismus und rein in Kohei Saitos Degroth-Kommunismus?

Kohei Saito will vor allem die Produktionsprozesse demokratisieren, was mittels Vergemeinschaftung der Ressourcen und der Produktionsmittel realisiert werden soll: »Durch eine offenere demokratische Diskussion werden Entscheidungen darüber getroffen, welche Technologien entwickelt und wie sie in der Produktion eingesetzt werden sollen.«

Bürgerversammlungen und eine erweiterte Demokratie, in der sich die Bürger eigenständig beteiligen können, sind angesagt: »Wir sollten dann in der Lage sein, offen und von Grund auf über die Bedeutung der Arbeit, des Lebens, der Freiheit und Gleichheit zu diskutieren.«

»Hinterfragen wir die Bedeutungen von Grund auf, fällt auch all das in sich zusammen, was wir heute als „gesunden Menschenverstand“ ansehen. Genau das ist der Moment, in dem etwas wirklich „politisches“ entsteht, das den im Augenblick existierenden, etablierten Rahmen sprengt.«

Zu guter Letzt verweist uns Kohei Saito auf eine von Studie der Harvard-politologin Erica Chenowth hin derzufolge es zu grossen gesellschaftlichen Umwälzungen komme, wenn 3,5 Prozent der Menschen gewaltlos und entschlossen aufbegehren, und dass wir es unserer eigenen Gleichgültigkeit zu verdanken hätten, dass 1 Prozent der reichen Elite bisher die Regeln des Spiels gemacht, und wir 99% dafür zu schuften hätten und wir nun als Dank die Apokalypse kriegen würden.

Kleiner Trost: Es gibt kleinere Anzeichen der Besserung, wie die »furchtlosen Städte«, als vorrangiges Beispiel nennt hier Kohai Saito Barcelona, das den Klimanotstand ausgerufen und eine Klimanotstandsdeklaration publiziert hat. Auch Amsterdam, Paris, Grenoble, – total über 77 Städte, auch in Afrika, Südamerika und Asien, zählen sich zu diesem transnationalen Verbund der »Fearless Cities«. »Es sind Städte, die in ihrem Kampf für das Wohl ihrer Bewohner weder den Staat noch global agierende Unternehmen fürchten.«

Des weiteren erwähnt Kohai Saito Netzwerke, die sich dafür einsetzen ihre Landwirtschaft wieder in die eigenen Hände zurückzubekommen um ihre Ernährungssouveränität zurückzuerlangen. Campesina, Zapatisten, South Afrika Food Sovereignity Campaign, heissen die.

Service Public: Climate Emergency Declaration – das ist keine Übung!

Es ist mir nicht ganz verständlich aus welchen Gründen ein Professor für Philosophie den Marx erforscht und sich in die Ökonomie-Schublade vergreift. Mit seiner Vision, oder seinem Plan für einen spätmarxistischen Degrowth-Kommunismus kann er nicht mal so viel falsch machen, und braucht auch gar nicht so fundiert daherzukommen, weil ja Prognosen an sich schwierig sind, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen (Karl Valentin): Zukunft ist kaum vorhersehbar, nicht planbar und auch nicht konstruierbar. Da lässt sich leicht visionieren.

Zudem wittere ich in seinem Degrowth-Kommunismus-Konstrukt eigentlich nur ein neues Packet mit neuen, oder im besten Fall mit einfach anderen Problemen. Dann ist mir ohnehin jeder suspekt, der die Hand hoch streckt und behauptet die Lösung zu haben – vielleicht möchte ich gar keine Lösung, auf jeden Fall nicht eine in Form eines Systems, und schon gar keins mit Weltrettungsqualitäten; was die immer vorzu diese Welt retten wollen – ich weiss nicht.

Aber im Wettstreit der Weltrettungsstrategen schlägt sich Kohai Saito trotzdem nicht schlecht, und vielleicht ist es eine seiner Stärken, dass er etwaige philosophische Hochglanzerkenntnisse für sich behält und sich um das Praktische bemüht. Es sind und bleiben aber Mühen.

Obwohl dieser, von beunruhigten Geistern und auch mir persönlich verfluchte Kapitalismus als System, eine Mördergrube ist, und ich in keiner Weise ein Systemmensch sein möchte, weder in einem demokratischen Grün-Kapitalismus, noch in einem sozialistischen Luxus-Kommunismus, muss man sich doch über folgendes klar sein:

Zu keiner Zeit der Menschheitsgeschichte haben die Menschen sich derart massiv und quasi mit freimütiger Begeisterung in ein System einbinden und regulieren lassen, wie das im gegenwärtig weitverbreiteten vornehmlich demokratisch kapitalistischen Neoliberalismus der Fall ist. Etwas, was Slavoj Zizek in seinem Buch »Ein Linker wagt sich aus der Deckung« in äusserst eindringlicher Weise auf den Punkt bringt – davon aber ein andermal….

mit einem Herzlichen Gruss in die traute Runde, Euer Patient Pierroz

Service Public: Kohei Saito – Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus bei dtv

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