Ein offenes Antwortschreiben an den in einem Nachbarland wohnenden C.
Lieber C. Dein Mail anlässlich der „Last Deadmaus Night“ hat mich sehr berührt. Du hast mit wenigen einfachen Sätzen viel mehr zum Ausdruck gebracht als Du eigentlich hingeschrieben hast. Vor allem auf mitmenschlicher und freundschaftlicher Ebene. Dass für Dich, so wie Du schriebst, mit dem Tod von Remo „ein Stück Schweiz abhanden gekommen“ sei, wirkt bei uns wie das Stochern mit einer heissen Nadel in einer schlecht verheilten Wunde.
Remo (Künstler, Vitaltransformer Gründer) war schon zu Lebzeiten für uns ein Symbol einer selbstbestimmten und etwas freieren Lebensart, als das die hiesige Gesellschaft und der uns verwaltende Apparat gerne sieht.
Für einen, mit einem Naturell wie Remo eines hatte, gibt es in dieser Gesellschaft nur wenig Überlebenschancen. Weil hier in der Schweiz so ungefähr das erlaubt ist, was nicht stört. Das gilt im Kleinen, wie im Grossen. Egal ob es sich um einen Zigarettenstummel auf dem Trottoir (störend) oder internationale Handelskriminalität (nicht störend) geht. Den Störfaktor von Remo genau zu berechnen, wäre eine kulturhistorische Unternehmung.
Was bleibt ist die Tatsache, dass Remo ein trauriges Beispiel dafür ist, wie die Allgemeinheit den Einzelnen zur Strecke bringt. Oder andersrum: „Dass den meisten nichts passiert ist, beweist demnach, dass sie sie sich klaglos unterdrücken lassen“ (Zitat aus „Reportagen aus der Schweiz“ von Niklaus Meienberg)
Interessant ist in dieser Beziehung, dass die Schweizer durch ihren Apparat ihre Querköpfe zwar umbringen lässt, andererseits, wenn dann durch den Tod der Störfaktor beseitigt ist, dieselben als Helden feiert. Die Werkzeuge dieses Apparates werden den jeweiligen Anforderungen angepasst, in ihrem Effekt bleiben sie aber dieselben.
Im hiesigen Kulturbereich zum Beispiel, werden die Kunstschaffenden in eine Nährlösung bestehend aus staatlicher Schulung, Subventionen und Kommerzialisierung getunkt, um sie damit einzuschläfern.
Noch nie war die Repression derart subtil und abgefeimt, die offene Brutalität möchte man sich schon beinahe herbei – oder zurückwünschen. Was bleibt ist Wut, Verbitterung und Schmerz. Ja, mit Remo ist uns ein Stück Schweiz abhanden gekommen. Mit ihm ist uns ein Stück einer Vision verlorengegangen, ohne die ich persönlich nicht leben mag. Ob, wie Du noch schriebst durch diesen Verlust wieder etwas Neues entsteht, ist fraglich, doch Widerstand tut not.
Mit Herzlichen Grüssen
Pierroz
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