Das zweite Album Cosmic Library der Berner Folk Noir Band Deserto Parallax kommt rock’n’rolliger, funkiger, fliessender, aber auch ein wenig konventioneller, sprich mittiger als ihr Debut Out of Time daher. Ihre Musik ist und bleibt retro, man könnte sie auch als recyclierte Musik bezeichnen oder bösartig als einen musikalischen Hackbraten.
Als ich vor drei Jahren die Band mit ihrem Debutalbum Out of Time kennenlernte, waren sie ein eingeschworenes Quartet, schräg, ziemlich weggetreten, mit Songs wie Grasbourg, Japanese Eyes oder Puppet Factory in schwer verortbaren Gefilden agierend, fiebrig und mental angeschlagen ihre Texte.
Von ihrem neuen, zweiten Album begeistern mich deshalb vor allem die etwas verwegeneren Nummern, und die sorgfältig ausgearbeiteten, wie Quicksilver Daydream, Broken Ships, der smood funkende Tabula Raza oder eben das dem Album titelgebende Cosmic Library.
Cosmic Library, dieses kleine bezaubernde Kunstwerk, steckt voller Symbolik, und ich denke jeder und jede wird sich darin teils entdecken und wiedererkennen können, die eigene Suche nach einem Lebensentwurf oder einer Vision, einer Aussortierung des ganzen, durch die Menschheit über alle Zeiten hinweg angehäuften Schlamassels, der aber eben nicht nur Schlamassel, nicht nur aus Schandtaten und Gräueln besteht, wie man vielleicht in verdüsterten Augenblicken zu resümieren neigt, sondern auch unvergängliche Meisterwerke hinterlassen hat.
Eindrücke aktueller Ereignisse, geopolitische als auch sozialkritische Themen in Geschichten mit Überlieferungen der Antike zu verschmelzen, ist Teil des typischen Deserto Parallax Effekts, und eine der herausragenden Qualitäten von Songschreiber Maximilian Spyridon Tszotzatos.
Das erstaunt nicht weiter, sind doch seine Wurzeln im Griechischen, der Wiege aller tieferen Betrachtungsweisen über unser fragiles, ja vielleicht auch fragwürdiges Sein. Maximilian umkreist behutsam und durchwegs mit viel Empathie für seine Zeitgenossen dieses über unseren Seelen hängende Damoklesschwert, zumindest über all jenen, die sich mit einer simpeln Ratio nicht zu befrieden vermögen.
Der erste Eindruck, den dieses Album Cosmic Library vermittelt, ist aber ein anderer, in seiner Art auch antik, denn das Album startet mit den ersten zwei Songs erdig, funky und rock’n’rollig, mit Anleihen beim guten alten Eric Burdon & War oder auch Howlin‘ Wolf, später in einem anderen Track, Exile (in Your Hood), schwingt Velvet Underground mit.
Dann hat es auch verträumt sphärische Songs, Myrtle Branches ist so einer, und der ist nicht mal so einfach ohne eine Erinnerung an Simon & Garfunkel reinzuziehen; vielleicht ist mir anfangs deshalb der nicht unbedingt lobende Ausdruck »musikalischer Hackbraten« rausgerutscht.
Gemeinsam mit seinen Musikern, speziell zu erwähnen seien die musikalisch beeindruckenden Dreingaben des Gitarristen Federico Bianchi und die zauberhafte Stimme der Gastmusikerin Adaya Lancha Bairacli, vertont Maximilian seine poetischen Würfe zu einer einen sanft umgarnenden, manchmal aber auch fordernden und kratzigen Musik, die mit psychedelischen Einschüben nicht geizt und einen so auf die Haltlosigkeit und Neurotik der Dinge verweist, die uns im Alltag so verbürgt, geerdet und existenziell wichtig vorkommen…
Mit Herzlichen Grüssen D.T.Koller
Service Public: Deserto Parallax Webpage // Deserto Parallax bei Bandcamp // Deserto Parallax bei Vitaltransformer // Adaya Webpage // Adaya bei Vitaltransformer
Plattentaufe: 10. Mai, Heitere Fahne Bern // Heitere Fahne Webpage
Screenshot-Vorschaubild mit Erlaubnis der Urheber – Cosmic Library Video und Fotografie: Miguel Lazaro Velazquez // Cosmic Library Video Szenerie, Utensilien Ausstattung: Nicolas Bernière // Nicolas Bernière Webpage
2 Kommentare
Schön Wild west ds ganze…
so ist es: die mittels stahlsaiten & elektronik erzeugte interpretation alt-amerikanischer faustrechtromantik pflegt deserto parallax mit besonderer vorliebe, weshalb dem so ist, müsste man vielleicht maximillian, den songschreiber und leithammel dieser band, einmal fragen…