Gedanken zur Industriebrache Alte Zellulose Fabrik Attisholz bei Solothurn, die in ein Wohn – Kultur – und Gewerbequartier umgestaltet werden soll.
Kunstschaffende haben im letzten Jahr (2016) diese alte Papierfabrik in der Nähe von Solothurn als „Art Campus Zellulose / Kettenreaktion.jetzt“ bespielt und mit ihren Werken belebt. Man darf sagen revitalisiert. Volltreffer für den damaligen Inhaber, der den giftstinkenden Schrotthaufen unterdessen erfolgreich losgeworden ist. Auch die neuen Besitzer und Bauunternehmer haben Freude an diesen bis auf weiteres im Areal herumwuselnden Künstlern. Dieser lose Haufen kreativer Hofnarren, macht gute Laune und Werbung für das Kommende.
Von wegen Hofnarren; der vor Ort aktive Verein BTS und Träger des Art Campus lotet erstaunlich clever aus, für was und von wem sie gerade instrumentalisiert werden und versteht es, für sich ein attraktives Stück vom Kuchen abzuschneiden. Künstler checken ja meistens nicht gerade viel. Machen Kunst aus Ratlosigkeit. Von Widerstand oder politisch-kulturellem Engagement möchte ich jetzt gar nicht zu debattieren beginnen. Die braven Schweizerlein. Aus diesem Grund zweifle ich auch am Gehalt, Aussage und Wirkung vieler Werke.
Ich war letztes Jahr im Projekt Kettenreaktion Art Campus Attisholz, in dieser grossen Industriebrachen Europas im Team und der Redaktion involviert. Und auch als Assistent von Künstler Pedro Meier.
Industrie. Mein Folterer, Richter und Henker. Ich habe als Jugendlicher Mitte 80ziger in der Elektromontageindustrie (Oerlikon) gearbeitet. Am Band, in Produktionshallen, als Materialzuträger, so lautete meine offizielle „Berufsbezeichnung“ damals. Gequält, erniedrigt, versklavt, mir meine Jugend im Leib ausgerottet, der Würde zum Teil entledigt, mein Wesen, das Kaputtgemachte.
Was zog mich persönlich eigentlich in dieses, von den kapitalistischen Göttern verlassene Industrieareal? Ich habe den Verdacht, es war die Vorstellung, eine Einsicht in das ungefähre Abbild meines Innenlebens dort in Erfahrung bringen zu können. Ein Innenleben das geradezu durchwachsen ist von industrieller Verstörung.
Die Industrialisierung ist noch immer im Gange. Leider können wir noch nicht von einer vergangenen Epoche sprechen. Opfer sucht Täter. Es hat mich gereizt, das in mir wohnende Restwesen einen kritischen Punkt überschreiten zu lassen, um dort hin zu gelangen, wo dieses, durch die industrialisierte Gesellschaft anerzogenen Verdrängungsmechanismen nicht mehr erreichbar ist. Überdosis.
Konfrontation mit dem Mörder. Indem ich mich in diesen Ruinen mit der unternehmerischen Werktätigkeit und deren Ideologien der Generationen vor mir konfrontierte, suchte ich den Urgrund eines Motivs zu entdecken. Mein Überlebenstrieb verlangt von mir, dass ich mich aus diesen, meinem Wesen eigentlich fremden Verstrickungen herausschäle und für eine humane Idee Energien transformiere. Vitaltransformer. Eine Art Läuterung. Gelungen? Naja…..
Zukunft, oder der Versuch einer artgerechten Lebensform
Manchmal wüsste ich gerne, was aus mir noch werden soll. Falls sich herausstellt, dass aus mir nichts mehr werden soll und mich die Freiheit eines selbstverantwortendes Tun und Lassen entlässt, ja dann… Hmmm, ja was dann eigentlich?
Ich könnte mir vorstellen mich, dieses brachliegend verwaiste Wesen versuchen wieder bewohnbar zu machen. Für ein gemeinschaftliches Leben neu zu gestalten und mich einer Gemeinschaft X anschliessen. Warum nicht im neuerschaffenen Wohn -und Lebensquartier Alte Zellulose Fabrik Attisholz?
Und doch, als ein Mensch bar jeglichen Vertrauens, die Skepsis haftet; aus Auschwitz machte man auch keine Kita….
Die aktuelle Publikation: „KR16 campus recording 1.0“
Ist die beeindruckende Dokumentation dieser 3 Monate dauernden Kunstaktion in der Industriebrache Attisholz mit über 100 Kunstschaffenden aus der Schweiz und Europa. Darin finden sich auch Bild – und Textbeiträge von Vitaltransformer und Pierroz
Die Publikation „KR16 campus recording 1.0“ ist im Buchhandel oder direkt beim Verein BTS erhältlich. „KR16 – campus attisholz recording 1.0“
ISBN 978-3-939855-48-4
2 Kommentare
Sehr extreme Ansichten, aber teilweise durchaus berechtigt. Den Part, daß sogenannte Künstler nahezu nichts checken, kann ich getrost unterschreiben. Als Teil derjenigen, die dort ganz früh zu Anfang ebenfalls malerische Installationen (Street Art Art/ Urban Art/Graffiti Art) tätigten und auch Teil der Buchnutzung wurden, wundert es mich oft, daß das Artwork erst dann folgen darf, wenn die Genehmigung erfolgt. In dem Fall ist das Agieren mit dem Kadaver des Fabrikanwesens analog zum natürlichen Auflößungablauf zu sehen und hat Ansätze von Schimmel bzw. Pilzen, die den Zersetzungsprozess einläuten. Graffiti-Artisten, respektive Street Artists/Urban Artists können also die Transformatoren der Immobilienwelt sein.
[…] und ihren Suiten, das habe ich diesen Sommer an der Eröffnungsfeier vom Boulevard im Attisholz-Areal miterlebt. Also wird geklotzt was das Zeug hält. Das Geld, das lästige, das nichts mehr kostet […]